AOK hat beim Kartellamt keinen Erfolg |
14.11.2007 16:15 Uhr |
<typohead type="3">AOK hat beim Kartellamt keinen Erfolg
Von Daniel Rücker
Die AOK darf weiterhin keine Zuschläge für ihre Rabattverträge geben. Die Vergabekammer des Bundeskartellamts hat (wie bereits online gemeldet) am vergangenen Freitag die AOK-Rabattverträge als öffentliche Aufträge eingestuft. Da sich die AOK jedoch nicht an das Vergaberecht gehalten habe, seien die Vereinbarungen mit den Pharmaunternehmen ungültig.
Eigentlich wollte die AOK zum 1. Januar 2008 ihren Versicherten 83 rabattierte Arzneimittel anbieten. Rund 900 Millionen Euro sollten so in den beiden nächsten Jahren gespart werden. Von dieser avisierten Summe wird sich die AOK wohl endgültig verabschieden müssen. Gegen die Vergabe von 66 Substanzen hatten nicht berücksichtigte Hersteller Einspruch eingelegt. Nachdem vor zwei Wochen die Vergabekammer der Bezirksregierung Düsseldorf im Ausschreibungs- und Vergabeverfahren der AOK einen Verstoß gegen Vergabe- und Wettbewerbsrecht gesehen hatte, bestätigte die Vergabekammer beim Bundeskartellamt diese Einschätzung.
Im Kern geht es bei dem Rechtsstreit darum, ob die Ausschreibung der AOK ein öffentlicher Auftrag im Sinne des Vergaberechts ist. Dann hätte die AOK die Wirkstoffe EU-weit ausschreiben müssen und vor allem die Kriterien für die Vergabe öffentlich machen müssen. Die Vergabekammer in Düsseldorf hatte sich in ihrer Entscheidung stark auf diesen Punkt fokussiert. Wenn es sich bei der Ausschreibung um einen öffentlichen Auftrag handelt, dann hat dies auch zur Folge, dass für juristische Auseinandersetzungen nicht die Sozialgerichte, sondern die Kartellgerichte zuständig sind. Beides haben nun die Vergabekammern bestätigt und der AOK eine herbe Niederlage zugefügt.
Für die 66 Substanzen wird es damit zum 1. Januar aller Voraussicht nach keine Rabattvereinbarung geben. Das sieht auch der Branchenverband Progenerika so. Geschäftsführer Hermann Hofmann: »Wir gehen davon aus, dass es zumindest im ersten Quartal 2008 bei den 17 Wirkstoffen bleibt.« Die 17 Wirkstoffe dürften der AOK lediglich 170 Millionen Euro bringen.
AOK: unnötige Verzögerung
Allerdings ist die Entscheidung noch nicht endgültig. Die AOK kündigte bereits wenige Stunden danach an, sie werde beim zuständigen Oberlandesgericht Düsseldorf klagen. Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvize der AOK Baden-Württemberg und Verhandlungsführer für die Rabattverträge: »Die Vergabekammer bringt unnötige Verzögerungen ins Geschehen. Hier müssen die Gerichte schnell für Klarheit sorgen, und wir werden jetzt bei den zuständigen Gerichten die notwendigen Schritte einleiten.«
Hermann teilt die Einschätzung der Vergabekammern erwartungsgemäß nicht: »Wir sind kein öffentlicher Auftraggeber.« Dies habe das Bayerische Oberste Landgericht schon vor Jahren festgestellt. Freilich hatten die Ortkrankenkassen damals auch noch nicht mit einem Marktanteil von rund 40 Prozent Rabattverträge für Arzneimittel bundesweit ausgeschrieben. Dennoch hält Hermann daran fest, dass die Sozialgerichte zuständig seien.
Eine Einschätzung, die Progenerika-Geschäftsführer Hofmann nicht nachvollziehen kann: »Gegen wen will die AOK denn vor den Sozialgerichten klagen?« Die von der AOK betriebene Richterschelte sei vollkommen unangebracht. Mit ihren Entscheidungen hätten die beiden Vergabekammern für die nötige Transparenz und Klarheit bei Rabattverträgen gesorgt.
Auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) begrüßt den Richterspruch am Kartellamt. Es sei eine gute Entscheidung, sagte BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp. »Wir erwarten nun ein Mehr an Transparenz und formaler Gleichbehandlung aller Marktteilnehmer.« Fahrenkamp teilt auch die Einschätzung, dass die Vergabekammer die Zuständigkeit für das Verfahren nicht bei den Sozialgerichten sieht.
Mit der Entscheidung vom vergangenen Freitag hat die AOK nun kaum noch eine Chance, die Angebote für die angegriffenen Wirkstoffe anzunehmen. In diesem Jahr ganz sicher nicht und danach wahrscheinlich auch nur nach einer Neuausschreibung. Die AOK-Versicherten werden deshalb in diesen Indikationen ab Januar wieder nach den Regeln des SGB V versorgt. Sollte die AOK im Laufe des Jahres neue Vereinbarungen treffen, dann müssten die Patienten erneut umgestellt werden. Während das Schicksal der neuen Rabattverträge noch weitgehend ungewiss ist, gibt es für die alten Verträge keine Zweifel. Sie laufen zum 31. Dezember 2007 aus. Apotheken dürfen die Präparate noch bis Ende Februar abgeben, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen.
Die Apotheker verhalten sich in dem Rechtsstreit neutral. Allerdings drängen sie darauf, dass die Patienten nun schnell über die neue Entwicklung informiert werden müssten. ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf: »Die Patienten müssen schnellstmöglich und damit vor dem 1. Januar 2008 erfahren, welche Medikamente sie im nächsten Jahr bekommen.«
Wolf machte deutlich, dass die Apotheker weiterhin ihrer Verpflichtung nachkommen werden, die Rabattverträge zu unterstützen. Dies sei aber nur möglich, wenn alle Beteiligten rechtzeitig und umfassend informiert würden. Hier stünden AOK und Hersteller in der Pflicht.