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Comeback

08.11.2007  14:54 Uhr

Comeback

Mehr als 20 Millionen Tagesdosen Contergan wurden im Januar 1961 verkauft, rund 700.000 Deutsche nahmen das Hypnotikum regelmäßig ein. Fast 50 Jahre später lockt das Thema die zehnfache Menge an Zuschauern vor den Fernseher. Der Kampf um die Ausstrahlung des Zweiteilers, der Film selbst und die umfangreiche Berichterstattung zeigten keine sedierende Wirkung und brachten das Thema Contergan zurück ins öffentliche Bewusstsein. Bei Maischberger, Plasberg und Co. kamen Geschädigte, ihre Mütter, Politiker und Arzneimittelexperten zu Wort, vonseiten des Contergan-Herstellers Grünenthal bestand bis dahin offenbar kein Gesprächsbedarf. Nun scheint es eine leichte Annäherung zu geben: Sebastian Wirtz, geschäftsführender Gesellschafter und Enkel des Firmengründers, hat sich in einem Brief an einen Contergan-Geschädigten gewandt und ein Treffen in Aussicht gestellt.

 

Contergan-Skandal oder Tragödie? Diese Frage wird mit Blick auf die Geburt von rund 5000 Kindern mit Fehlbildungen ab Ende der 1950er-Jahre in Deutschland (siehe dazu Der Fall Contergan) immer wieder gestellt. Grünenthal spricht von einer Tragödie, die nicht vorhersehbar war, andere von einem Skandal. Schon 1959, zwei Jahre nach Markteinführung, gab es erste Berichte, Thalidomid sei für Nervenschädigungen verantwortlich. Immer häufiger informierten Apotheker und Ärzte Grünenthal über ihre Beobachtungen. Contergan schien keineswegs »harmlos wie ein Zuckerplätzchen« zu sein, so wie es beworben wurde.

 

Maximal 545 Euro Contergan-Rente können die heute noch lebenden Geschädigten in Deutschland erwarten. Seit zehn Jahren kommt dafür ausschließlich der Staat auf. Die Firma Grünenthal ist von weiteren Ansprüchen freigestellt, nachdem sie in den 1970er-Jahren 114 Millionen DM gezahlt hat. Dieses Geld ist längst aufgebraucht. Nach Ausstrahlung des Films sagte Wirtz der »Bild-Zeitung«, dass das Unternehmen sich zwar in der Verantwortung sehe, aber für die von Betroffenen-Verbänden geforderten höheren Rentenzahlungen nicht zuständig sei. Anders geht die Diageo Unternehmensgruppe, die Nachfolge der damaligen Thalidomid-Vertreiberfirma Distillers in England, mit der Verantwortung um: Diese zahlt jährlich 9,3 Millionen Euro an eine Thalidomid-Stiftung. Den Geschädigten steht dort eine monatliche Rente von rund 2200 Euro zur Verfügung.

 

Das Positive an der Contergan-Affäre: 1976 wurde ein Arzneimittelgesetz verabschiedet, das erstmals ein geregeltes Zulassungsverfahren einführte sowie detaillierte Vorschriften bezüglich der klinischen Erprobungsverfahren enthielt.

 

Thalidomid erlebte unterdessen in vielen Ländern ein Comeback. So wird der Wirkstoff heute bei Lepra-Patienten (siehe dazu Thalidomid: Andere Indikation, bekanntes Risiko) und beim multiplem Myelom (siehe dazu Thalidomid: Vom Schlafmittel zum Krebsmedikament) in der Therapie eingesetzt. Mit Lenalidomid ist seit Juli 2007 in Deutschland ein Wirkstoff zugelassen, der sich strukturell vom Thalidomid ableitet. Der Neuling bewirkt im Gegensatz zu Thalidomid keine Nervenschäden, teratogene Effekte sind aber auch bei ihm nicht auszuschließen.

 

Sven Siebenand

Redakteur Pharmazie

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