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Rationierung

Ärzte wollen Mangel diskutieren

28.10.2008  17:26 Uhr

Rationierung

<typohead type="3">Ärzte wollen Mangel diskutieren

Von Werner Kurzlechner, Berlin

 

Die Ärzte wähnen sich in der Rationierungsfalle und sehen einen Ausweg in der Priorisierung von Leistungen. Ärztekammerpräsident Hoppe erhielt für diese Vorschläge auch auf der Jahreshauptversammlung des Hartmannbundes Beifall.

 

Wahrscheinlich ist Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) vergangenes Wochenende lieber zum kurzfristig anberaumten Treffen mit den europäischen Kollegen nach Brüssel gefahren als zur Jahreshauptversammlung des Ärzteverbandes Hartmannbund nach Potsdam. Sie dürfte die Buhrufe vorausgeahnt haben, die ihre vierminütige Videobotschaft erntete. Die Ministerin betonte wie so oft, dass das deutsche Gesundheitssystem nach wie vor zu den besten der Welt zähle: »Für Mängeldebatten gibt es wahrlich keinen Grund.«

 

Just eine solche wollten die Ärzte jedoch mit ihr führen – und taten es nun eben ohne sie. »Rationierung findet längst statt«, sagte der Verbandsvorsitzende Dr. Kuno Winn. »Wir können unsere Patienten schon lange nicht mehr so behandeln, wie es theoretisch möglich wäre.« Die Zitrone sei schon seit der Amtszeit von Gesundheitsminister Horst Seehofer in den 1990er-Jahren ausgequetscht, Ärzte würden »Budget« oder »Regress« zum Unwort des Jahres wählen. Winns Hauptforderung: Über Rationierung müsse endlich offen gesprochen werden.

 

In Schmidts Abwesenheit ging das recht mühelos. Unter anderem deshalb, weil ein Diskussionsgast mit seiner Kritik an verdeckter Rationierung vor einigen Monaten zwar ein lautes öffentliches Echo provozierte, aber offenbar doch nur einen Konsens innerhalb der Ärzteschaft wiedergab. Ärztekammerpräsident Professor Dr. Jörg-Dietrich Hoppe übernahm auch diesmal  in weiten Teilen die Auseinandersetzung mit dem Gesundheitsökonomen Professor Dr. Jürgen Wasem als verbliebenem Widerpart. Der hatte zunächst den Begriff der »Rationalisierung«, bei der ohne Minderung der Versorgungsqualität Kosten gespart werden, von der »Rationierung« unterschieden, die sehr wohl an Fragen notwendiger Leistungen rühre. Als Beispiel für Rationalisierung nannte Wasem dann die Übernahme von solchen Kliniktätigkeiten durch Krankenschwestern, die nicht zwingend ärztliches Können voraussetzen würden. Bevor Hoppe erwidern konnte, dass dann ja auch den Schwestern irgendwann mehr zu bezahlen sei und so der Spareffekt verpuffe, hatte ihm Wasem schon »Polemik« vorgeworfen.

 

Zu viele oder zu wenig Ärzte?

 

Derart hitzig stritt das Podium zwar mehrfach, was aber von der überraschenden Einmütigkeit in wesentlichen Fragen nur ablenkte. Den ritualisierten Buhrufen gegen die Ministerin zum Trotz pumpt die Politik ja derzeit frisches Geld ins System. Überdies war schwer zu bestreiten, dass es in Deutschland zurzeit mehr praktizierende Ärzte gibt denn je ­ auch wenn sich die aus Ostdeutschland bekannten Versorgungsprobleme in der Fläche auf ländliche Regionen im Westen ausdehnen, wie Winn darlegte. So gab es fürs Gespräch über Zukunftsprobleme keinen aktuellen Anlass für besondere Schärfe. Und nur Dr. Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte im Bundesverband der Verbraucherzentralen, widersprach der Forderung nach einer offenen Diskussion über Rationierung. »Dann muss nämlich alles auf den Tisch ­ auch in der Bedarfs- und Ressourcenlenkung«, so Etgeton. Zu hinterfragen sei dann auch, wie viele Krankenhäuser oder Apotheken eigentlich nötig seien. »Ich habe mehr Apotheken als Bäckereien vor der Haustür.« Was an der Lage seines Hauses liegen muss, denn es gibt mehr als doppelt so viele Bäckereien wie Apotheken.

 

Ansonsten war sich die Runde (mit eingeschlossen den FDP-Bundestagsabgeordneten Heinz Lanfermann´) einig darin, das Rationierungsdilemma offensiv anzugehen, und Hoppe hatte sogar wohlwollend aufgenommene Vorschläge für einen Systemwechsel parat. Der Präsident der Ärztekammer schlug nach schwedischem Vorbild vor, medizinische Leistungen nach einem Dreierschema zu unterteilen und zu priorisieren: für Überleben und Patientenwohl notwendige Leistungen, die die Krankenkassen stets bezahlen; einen für die Lebensqualität relevanten und über freiwillige Zusatzversicherungen abzudeckenden Bereich; schließlich eine komplett dem freien Markt überlassene »Wellness-Medizin«. Für diese nicht neuen Ideen Hoppes gab es Beifall und prinzipielle Zustimmung. Ebenso teilte man auf dem Podium seine Kritik am Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Statt dem medizinischen Alltag entrückter und nicht legitimierter Mitglieder des G-BA sollte laut Hoppe ein Gesundheitsrat aus Ärzten, Patienten, Ethikern, Juristen und Ökonomen dem Bundestag empfehlen, welche Versorgungsleistung in welche Kategorie einzuordnen sei. »Ich würde noch die Kirchen mit dazunehmen«, meinte dazu Kuno Winn, der ansonsten wie Etgeton Sympathien für diese Idee äußerte. Diese alte Idee von Hoppe ist bislang bei der Bundesregierung auf taube Ohren gestoßen.

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