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Orale Antikoagulanzien

Dosierfehler sind häufig

23.10.2012  18:20 Uhr

Von Annette Mende, Rostock / Neue orale Antikoagulanzien wie Dabigatran und Rivaroxaban sind mittlerweile Therapiestandard zur Schlaganfallprophylaxe für Patienten mit Vorhofflimmern. Im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten sind sie einfacher zu hand­haben. Narrensicher ist ihre Dosierung jedoch nicht. Das betonten Experten beim Jahreskongress für Klinische Pharmakologie in Rostock.

Als »zwei neue Sterne, am Antikoagulanzien-Himmel« bezeichnete Professor Dr. Susanne Alban, Pharmazeutische Biologin von der Uni Kiel, den direkten Thrombininhibitor Dabigatranetexilat (Pradaxa®) und den Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban (Xarelto®). 2011 folgte mit Apixaban (Eliquis®) ein weiterer Faktor-Xa-Inhibitor. Die neuen oralen Anti­koagulanzien (NOAK) wurden zunächst zugelassen zur Thromboseprophylaxe nach Hüft- und Kniegelenkersatz. Doch von Anfang an war klar, dass die Hersteller Indikationserweiterungen anstreben und so letztlich den Vitamin-K-Antagonisten Konkurrenz machen würden.

 

Im Fall von Dabigatran und Rivaroxaban ist das bereits gelungen: Beide Wirkstoffe sind auch zugelassen zur Schlaganfallprophylaxe bei nicht-­valvulärem, also nicht durch eine Herzklappeninsuffizienz ausgelöstem Vorhofflimmern. In dieser Indikation haben sie die Vitamin-K-Antagonisten als Erstlinientherapie verdrängt. Die aktuelle Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie nennt die Cumarine nur noch als Alternativtherapie. Rivaroxaban besitzt darüber hinaus die Zulassung zur Akuttherapie der Beinvenenthrombose und danach zur Sekundärprävention von tiefen Venenthrombosen und Lungenembolien.

 

»Anders als Vitamin-K-Antagonisten können NOAK aufgrund ihrer vorhersagbaren, linearen Pharmakokinetiken als einfache Fixdosis-Regimes gegeben werden«, sagte Alban. Die intra- und interindividuellen Schwankungen seien zudem so gering, dass kein Routine­monitoring erforderlich sei. Allerdings hänge die Höhe des Dabigatran-Spiegels stark von der Nierenfunktion ab. »Bei schwerer Nierenfunktionseinschränkung kann die AUC bis zu sechsfach erhöht sein«, so Alban. Um die richtige Dosis zu finden, müssten Ärzte daher unbedingt die Nierenfunktion des Patienten bestimmen – und zwar mithilfe der Cockcroft-Gault-Formel, nicht mit der einfacheren MDRD-Formel.

 

In der Praxis wird das aber noch zu selten gemacht, wie Professor Dr. Edelgard Lindhoff-Last vom Gefäßzentrum der Universität Frankfurt am Main berichtete. »Fehlerhafte Dosierungen sind ein wesentliches Sicherheitsproblem der neuen Antikoagulanzien«, sagte die Angiologin. So erfordere eine Kreatinin-Clearance von weniger als 50 mg pro Minute sowohl beim Dabigatran als auch beim Rivaroxaban eine Dosisanpassung. Dabigatran müsse zudem zur Thromboseprophylaxe nach Gelenkersatz einmal täglich eingenommen werden, bei Vorhofflimmern jedoch zweimal täglich. Und Rivaroxaban werde in der Akuttherapie der Beinvenenthrombose zunächst drei Wochen lang zweimal täglich verabreicht, danach aber nur noch einmal täglich (siehe Tabelle).

 

»All das steht auch in den Fachinformationen. Diese sind aber jeweils 15 bis 20 Seiten lang und werden von den Ärzten deshalb nicht gelesen«, bedauerte Lindhoff-Last. Die Folgen dieser Nachlässigkeit zeigte eine Untersuchung aus Australien und Neuseeland. Dort wurden bei den ersten 7000 Patienten, die Dabigatran wegen Vorhofflimmerns erhalten hatten, zwei Monate lang alle Blutungsepisoden erfasst und analysiert (doi: 10.1056/NEJMc1112874). Insgesamt waren es 78 Fälle, ein deutlich höherer Prozentsatz als in den Zulassungsstudien. Die häufigsten Gründe für schwere Blutungen waren Verschreibungsfehler, gefolgt von Nierenfunktionsstörungen und niedrigem Körpergewicht. Die Autoren zeigten sich besorgt, dass »die potenziellen Risiken dieser Medikation nicht allgemein anerkannt werden«. Lindhoff-Last zufolge besteht dieses Problem offenbar nach wie vor. /

 

Tabelle: Zugelassene Indikationen der neuen Antikoagulanzien (Quelle: Vortrag E. Lindhoff-Last)

Dabigatran (Pradaxa®) Rivaroxaban (Xarelto®) Apixaban (Eliquis®)
Thromboseprophylaxe nach Hüft- und Knie-TEP 110/220 mg 1 x täglich 75/150 mg 1 x täglich* 10 mg 1 x täglich 2,5 mg 2 x täglich
Nicht-valvuläres Vorhofflimmern 150 mg 2 x täglich 110 mg 2 x täglich* 20 mg 1 x täglich 15 mg 1 x täglich*
Akuttherapie der Beinvenenthrombose und Sekundärprävention von tiefen Venenthrombosen und Lungenembolien 15 mg 2 x täglich für drei Wochen, dann 20 mg 1 x täglich 15 mg 1 x täglich*
* Dosisreduktion in Abhängigkeit von der Nierenfunktion und anderen Faktoren
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