Bekannte Wirkstoffe in neuer Indikation |
13.10.2015 16:29 Uhr |
Von Christina Müller, Berlin / Simvastatin, Memantin, Phenytoin und Erythropoetin (EPO): Sie alle könnten künftig bei der Behandlung von Patienten mit Sehnerv-Entzündungen zum Einsatz kommen. Ihre Wirksamkeit bei Neuritis nervi optici erproben Wissenschaftler derzeit in verschiedenen klinischen Studien.
»Die aktuellen Leitlinien sehen bei einer Entzündung des Sehnerv eine Therapie mit Corticosteroiden vor«, sagte Dr. Flemming Beisse von der Augenklinik der Universität Heidelberg auf dem Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft in Berlin. Diese wiesen jedoch im Vergleich zu Placebo keinen verbesserten Langzeitnutzen auf – egal ob oral, intravenös oder retrobulbär appliziert. Zwar erhole sich der Sehnerv so schneller, langfristig betrachtet sei jedoch ein Nervenfaserverlust gleichen Ausmaßes zu beobachten.
Diesbezüglich habe sich EPO als vorteilhaft erwiesen: In einer klinischen Studie fiel laut Beisse der Nervenfaserverlust bei Sehnerv-Entzündungen nach 14 Wochen unter EPO deutlich geringer aus als in der Kontrollgruppe, die ein Placebo erhalten hatte. Eine weitere Studie, die den Nutzen von EPO bei Neuritis nervi optici nachweisen soll, befindet sich derzeit in Phase III.
Auch die Einnahme von Simvastatin könnte den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen, informierte Beisse. Durch eine Hemmung der Lymphozyten-Funktion habe Simvastatin einen immunsuppressiven Effekt und greife so womöglich in den Entzündungsprozess ein. Die Ergebnisse einer klinischen Studie »waren jedoch nicht völlig überzeugend«, relativiert er. Dennoch ergibt sich seiner Ansicht nach aus der Kombination von Simvastatin mit einem Neuroprotektivum ein möglicher neuer Ansatz für eine Akuttherapie-Strategie.
Neben dem Glutamat-Antagonisten Memantin untersuchten Forscher derzeit unter anderem auch die Natrium-Kanal-Blocker Phenytoin und Amilorid hinsichtlich ihres neuroprotektiven Potenzials bei Sehnerv-Entzündungen. »Sie könnten die Apoptose der Nervenzellen stoppen«, so Beisse.
Obwohl die Symptome der Neuritis nervi optici wie etwa eine verminderte Sehschärfe sowie Druck- und Bewegungsschmerz des Auges meist innerhalb weniger Wochen von selbst wieder abklingen, ist Beisse zufolge der Gang zum Arzt unerlässlich. Denn die Sehnerv-Entzündung trete oft als Vorbote von Autoimmunerkrankungen auf. Die Patienten hätten ein »Risiko von rund 50 Prozent, in den nächsten 15 Jahren an Multipler Sklerose zu erkranken«, warnte er. Daher sollte sich jeder Betroffene gründlich von einem Neurologen untersuchen lassen. /