Originalhersteller in den Startlöchern |
19.10.2010 16:46 Uhr |
Von Nils Franke, Berlin / Für patentgeschützte Originalpräparate könnte die Zahl der Rabattverträge bald erheblich steigen. Denn nach dem geplanten Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) sollen Pharmafirmen darüber künftig direkt mit den Krankenkassen verhandeln. Die Hersteller erhoffen sich Mehrwertverträge und nicht nur Abschläge.
Pharmaunternehmen erwarten einen erheblichen Zuwachs von Direktverträgen mit Krankenkassen über patentgeschützte Originalpräparate. Seit August 2009 habe sich in einem Jahr der Anteil rabattvertragsgeregelter patentgeschützter Arzneien von 5 auf 9 Prozent erhöht, sagte Yvonne Bruchhausen auf der Fachtagung Pharma Sales Force diese Woche in Berlin. Die Leiterin Versorgungs- und Kooperationskonzepte von GlaxoSmithKline Deutschland zeigte sich zuversichtlich, dass es bald ein zweistelliger Prozentanteil sein werde. Absolut betrachtet ist ihre Zahl laut dem Branchendienst IMS Health immer noch gering. Rabattverträge dominieren bislang das Generikasegment.
Auf Kassenbedürfnisse abstimmen
Bei den patentgeschützten Arzneimitteln seien sie vor allem in den ATC-Märkten vertreten, welche die Bereiche Onkologie, Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen umfasse, berichtete Bruchhausen. »Gerade die Krankenkassen sind an den Produktgruppen interessiert, wo wir große Gesamtumsätze haben«, sagte sie. »Dort wird es zukünftig zu mehr Direktverträgen kommen.« Da die Verwaltungsausgaben bei den Kassen in der Regel eingefroren seien und die Mitarbeiterzahl nicht erhöht werde, seien Hersteller gut beraten, Verträge für solche Produkte anzustreben, welche bei der jeweiligen Kasse eine große Rolle spielen.
Das AMNOG soll künftig direkte Verhandlungen von Herstellern und Kassen ermöglichen. Es kursierten bereits Zahlen, wie viele neue Stellen für Verhandler der zuständige Spitzenverband der Kassen schaffen wolle, sagte Bruchhausen. Ihr Unternehmen werde einige Male pro Jahr in Verhandlungen treten, der Spitzenverband auf der anderen Seite dagegen habe hoch spezialisierte Leute, die das ganze Jahr über nichts anderes täten. »Dort wird eine Kompetenz aufgebaut, die nicht zu unterschätzen ist.« Eine erste Anwendung in der Praxis sei jedoch nicht vor 2012 zu erwarten, schon allein wegen der Übergangsfristen.
Industrie will mehr als Rabatte geben
Direkt mit den Herstellern sollen auch Verträge zur Integrierten Versorgung (IV) möglich sein. Was sich hier entwickle, sei besonders spannend, sagte Bruchhausen. »Von unserer Seite her ist wichtig, dass wir Mehrwertleistungen einbringen können. Zum Beispiel zur Unterstützung der Compliance und der Patientensteuerung.« Vor allem im Dreieck Hersteller, Kassen und Arztnetze ließe sich die Versorgung der Patienten verbessern. Die Industrie könne sogenannte Casemanager schulen und Wissen bereitstellen. Hier sei jedoch viel Arbeit für regional maßgeschneiderte Lösungen notwendig, da IV-Verträge mit ganz unterschiedlichen Auslösern für Fehlversorgung zu tun hätten.
Bislang herrschen mit 90 Prozent einfache Rabattverträge vor, mit denen die Kassen die Kosten reduzieren wollten. Dies ergab eine Studie, bei der GlaxoSmithKline 110 Verträge untersuchte. »Das ist nicht verwunderlich, weil die Kassen durch die Zusatzbeiträge sehr fokussiert auf die Ausgaben waren.« Mit der Erhöhung des Beitragssatzes auf 15,5 Prozent Anfang 2011 sinke »die Angst vielleicht auch ein wenig, sodass hoffentlich ein größeres Interesse für innovative Verträge vorhanden ist«, sagte Bruchhausen. /