Eine Aufgabe für Apotheker |
07.10.2015 10:04 Uhr |
Polymedikation birgt viele Risiken, die Apotheker und Ärzte in Zusammenarbeit allerdings minimieren können. Andreas Kiefer und ABDA-Präsident Friedemann Schmidt forderten für die Apotheker daher bei der Pressekonferenz anlässlich des Deutschen Apothekertages eine zentrale Rolle beim Erstellen von Medikationsplänen.
Aufgrund von Multimorbidität müssen viele Patienten fünf oder mehr Arzneimittel einnehmen. Verschiedene Therapeuten, eine unzureichende Kommunikation der verschiedenen Heilberufler untereinander und damit eine unzureichende Übersicht über die Gesamtmedikation des Patienten verstärkten das Problem Polymedikation, erläuterte Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer, bei der Pressekonferenz.
Sind vom Nutzen des Medikationsplans überzeugt: ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz, Friedemann Schmidt, Fritz Becker und Andreas Kiefer. (von links)
Häufig würden auch im Krankenhaus verordnete Therapien unkritisch vom Hausarzt übernommen, erfolglose Behandlungen nicht beendet oder die Medikation trotz verändertem Krankheitsbild weitergeführt. »Polymedikation führt zu einer schlechteren Therapietreue, unspezifischen Gesundheitsbeschwerden und zu mehr unerwünschten Arzneimittelereignissen«, sagte Kiefer. Jedes Jahr komme es in Deutschland zu circa 500 000 Krankenhausaufnahmen aufgrund von Polymedikation und vermutlich zu mehr als 10 000 Todesfällen.
Dabei gibt es eigentlich geeignete Maßnahmen, wie sich Risiken bei der Polymedikation minimieren lassen. »Zunächst muss die gesamte Medikation des Patienten vollständig erfasst werden – das ist oft schon schwierig genug«, so Kiefer. Häufig gibt es Diskrepanzen zwischen einzelnen Informationsquellen. Dem Arzt ist zum Beispiel in der Regel nicht bekannt, welche Medikamente der Patient in der Selbstmedikation einnimmt. Um eine komplette und aktuelle Medikationsliste zu erstellen, bedarf es daher der interdisziplinären Zusammenarbeit von Hausarzt, Fachärzten, Apothekern, Pflegekräften und dem Patienten. Diese Liste muss im Anschluss analysiert und die Medikation gegebenenfalls angepasst werden. Dabei entsteht ein Medikationsplan für den Patienten, der den Überblick über die Gesamtmedikation erleichtern und zu einem besseren Verständnis der Therapie und einer besseren Einnahmetreue führen soll. Auch können Arzt oder Apotheker arzneimittelbezogene Probleme besser erkennen und dementsprechend vermeiden. Den Apothekern komme hier eine wichtige Rolle zu, schloss Kiefer: »Sie haben den gesetzlichen Auftrag, die Bevölkerung mit Arzneimitteln zu versorgen, und sie müssen deshalb eine zentrale Schnittstelle in diesem Prozess sein.«
Das sieht auch ABDA-Präsident Friedemann Schmidt so. Mit dem Rückenwind der Forsa-Ergebnisse (siehe unten) wollen die Apotheker nun einen weiteren Anlauf starten, eine größere Rolle bei der Erstellung der Medikationspläne für multimorbide Patienten zu spielen. Da 37,5 Prozent aller Arzneimittel ohne ärztliches Rezept abgegeben werden und Apotheker aufgrund der Rabattverträge auch bei Verordnungen das entsprechende Handelspräparat auswählen, müsse den Apothekern eine zentrale Rolle beim Erstellen von Medikationsplänen zukommen. Einer Studie mit 500 Apothekenpatienten im Kammergebiet Westfalen-Lippe zufolge entsprächen 90 Prozent aller Medikationslisten, die der Arzt alleine erstellt, nicht der tatsächlich eingenommenen Medikation, berichtete Schmidt. »Die Stammapotheke kann aber die Gesamtmedikation überblicken. Daher ist es so wichtig, dass Apotheker und Ärzte im heilberuflichen Netzwerk zusammenarbeiten.«
Im Gesetzentwurf zum E-Health-Gesetz ist das bislang allerdings so nicht vorgesehen. Zwar sollen Patienten, die mehr als drei verordnete Arzneimittel einnehmen, ab 2016 Anspruch auf eine Medikationsliste in Papierform haben. Allerdings sieht der Entwurf bislang vor, dass Ärzte diese Listen allein erstellen. »Hier muss dringend nachgebessert werden«, sagte Schmidt. Der ABDA-Präsident forderte ein Wahlrecht für Patienten: »Jeder sollte selbst entscheiden dürfen, ob sein Arzt oder sein Apotheker einen individuellen Medikationsplan für ihn initiieren soll.« Außerdem müsse die Liste auch von der Papier- in die digitale Form überführt werden. Zudem müsste der Apotheker mithilfe der Liste eine Medikationsanalyse ausführen und daraus den Medikationsplan erstellen, um den Patienten einen echten Nutzen zu bieten. »Die Patienten haben einen Anspruch auf eine sichere Arzneimitteltherapie. Der Gesetzgeber muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen«, so Schmidt. /