Wolf fordert Verhältnismäßigkeit |
12.10.2010 17:13 Uhr |
Bei der Eröffnung des Deutschen Apothekertages forderte ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf von der Regierung, Verhältnismäßigkeit und Fairness bei den Sparmaßnahmen zu bewahren. Die Apothekerschaft würde vom Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) unverhältnismäßig stark belastet.
Zu Beginn seiner Rede erinnerte Wolf an die friedliche Revolution in der DDR, die am 3. Oktober vor 20 Jahren zur Wiedervereinigung in Deutschland geführt hatte. Nach Jahren der Verstaatlichung wurden aus den Apothekern in der ehemaligen DDR Freiberufler. Die Apotheker der Bundesrepublik unterstützten ihre Kollegen bei dieser Umstellung sowohl politisch, als auch praktisch. »Wir sind zusammengewachsen«, betonte Wolf. »Wir halten zusammen.« Gemeinsam müsse man sich nun den großen Veränderungen stellen, die anstehen, und die Interessen des Berufsstandes verteidigen. Nach einer kurzen gesetzgeberischen Ruhepause treffe die Apotheker nun wieder eine Flut von neuen Regulierungen. »Viele sind notwendig, manche sind sinnvoll, einige aber nicht«, sagte Wolf.
Nicht zu leugnen sei aber, dass es Handlungsbedarf gebe, das Gesundheitswesen zu reformieren. Für das Jahr 2011 wird ein Minus von 11 Milliarden Euro für die Gesetzliche Krankenversicherung erwartet. Einsparungen seien daher nötig. Mit dem GKV-Änderungsgesetz habe die Regierung schnelle Maßnahmen beschlossen, die bereits greifen. Im August konnten 100 Millionen Euro zusätzlich an Herstellerrabatt gehoben werden, berichtete der ABDA-Präsident. Viele Hersteller könnten die Mehrbelastungen allein nicht tragen und geben sie daher in Teilen an die nachfolgenden Glieder der Handelskette, an den Großhandel und die Apotheker, weiter.
Eine zusätzliche Belastung wird das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz mit sich bringen. »Die Apotheker kommen nicht ungeschoren davon«, sagte Wolf. »Wer das behauptet, hat entweder keine Ahnung oder ist bösartig.« Besonders die Umstellung der Großhandelsvergütung wird die Apotheken belasten. Die Umstellung würde nämlich zu einer Einsparung von 500 Millionen Euro führen. Als Folge werde der Großhandel die Funktionsrabatte abschaffen, den Service einschränken und damit die Mehrbelastung an die Apotheker weiterreichen. »Diese Maßnahmen, wenn sie denn so kommen, werden massive Folgen haben. 500 Millionen Euro Einsparungen bedeuteten eine Kürzung des Ertrags um 23 000 Euro pro Apotheke. »Wir wollen nicht die Rechnung bezahlen«, sagte Wolf. Die Umstellung der Großhandelsvergütung sei ein nachhaltiger Fehler, zumal sie seit der 15. AMG-Novelle nicht mehr nötig sei. Der Großhandel habe seitdem einen Anspruch auf Vollbelieferung und der Anteil der Direktbelieferungen sei in der Folge um 20 Prozent gesunken.
ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf
Die Kürzungen des Apothekenertrags werden nicht folgenlos bleiben, machte Wolf deutlich, sondern würden auch den Apotheker zu Sparmaßnahmen zwingen. »Wo soll denn gespart werden?«, fragte Wolf. »Am Nacht- und Notdienst, an der Herstellung individueller Rezepturen oder an der Versorgung bis ans Krankenbett?« Wer den Apotheken 25 Prozent des Ertrages streiche, müsste auch sagen, wo der Apotheker einsparen solle. Dabei ist der Abbau von Leistungen nicht im Sinne der Apotheker und der Patienten. Wolf forderte daher vom Gesetzgeber, Fairness und Ausgewogenheit bei den Sparmaßnahmen zu bewahren. Das AMNOG treffe die Apotheker unverhältnismäßig stark. Bei anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen wie den Ärzten, Zahnärzten und Krankenhäusern seien Zuwächse erlaubt. Gerade die Ärzte hätten in den vergangenen Jahren zum Teil erhebliche politisch gewollte Zuwächse verzeichnet. »Das ist unverhältnismäßig«, so Wolfs Fazit.
Als weiteren Punkt am AMNOG kritisierte der ABDA-Präsident, dass die Passage über das Pick-up-Verbot wieder herausgestrichen wurde. Zwei Gutachten hatten ergeben, dass rechtliche Bedenken bestünden. Dem hielt Wolf entgegen, dass andere Gutachten das Gegenteil sagten. Auch der Bundesrat sieht es anders als die Bundesregierung und fordert die sofortige Umsetzung des Pick-up-Verbots. »Diese Ausfransung des Versandhandels muss verboten werden«, so Wolf. Diese Praxis sei auch aus datenrechtlichen Gründen bedenklich. Wenn ein Drogeriemarkt Rezepte annimmt, gelangen alle Patientendaten in der Regel ins Ausland zum ausländischen Versender, wo sie legitimerweise zwischen Unternehmen ausgetauscht werden können. Statt mit Google Street View sollten sich Datenschützer lieber mit dieser Problematik befassen.
Wolf wandte sich auch gegen die im AMNOG vorgesehene Änderung der Packungsgrößen. Diese betreffe etwa 80 000 Packungen, was wiederum einen großen Aufwand in Apotheken bedeute und Kosten in Form von Lagerwertverlusten und Änderungen der Software verursache. Ein Nutzen der Regelung sei nicht zu erkennen, weshalb sie entweder gestrichen oder unter Mitarbeit der fachlichen Kompetenz der Apotheker in Ruhe aufbereitet werden müsste. Insgesamt bringe das AMNOG die Arzneimittelversorgung in Gefahr. Dagegen werde sich die ABDA wehren. »Wir wollen faire Honorierung und politische Absicherung«, forderte Wolf und stellte die Bedeutung des Berufsstandes heraus. Für eine Honorierung, die nur 2,6 Prozent der gesamten GKV-Ausgaben ausmache, arbeiten in deutschen Apotheken fast 150 000 Menschen. »Das ist mehr als im Großhandel und bei den Herstellern zusammen.«
Als Alternative schlug Wolf ein Versorgungskonzept vor, das die ABDA zusammen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ausgearbeitet hat und die Rollenverteilung neu gestaltet. Dem Konzept zufolge stellt der Arzt die Diagnose, sucht den Wirkstoff aus und legt Dosis und Therapiedauer fest. Der Apotheker wählt das für den Patienten am besten geeignete Arzneimittel aus, gibt es mit einer Beratung ab und erstellt einen Medikationsplan., der die Compliance verbessere. Dieses Modell könnte mit dem Garantiepreiskonzept kombiniert werden. Die Folge: Kompetenzen würden neu verteilt und Effizienz sei garantiert, sagte Wolf: »Die Regierung sollte dieses nicht nur prüfen, sondern annehmen.« Die Apotheker bräuchten einen fairen Umgang und eine faire Honorierung. /
ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf hat in seiner Rede deutlich gemacht, dass die Apotheker ihren Widerstand gegen die radikale Senkung der Großhandelsvergütung nicht widerstandslos hinnehmen werden. Einen wichtigen Mitstreiter hat er seit Kurzem mehr. Die Vorsitzende der Apothekengewerkschaft Adexa, Barbara Neusetzer, kündigte in der Eröffnung die Unterstützung der Mitarbeiter an. Das ist ein wichtiges Signal. Denn nun funktioniert nicht mehr das schlichte Spiel »Wir nehmen den reichen Apothekern ein bisschen von ihrem Reichtum weg«, was auch Verbraucherschützer-Chef Gerd Billen zurzeit gerne spielt. Nun lautet die Botschaft auch: »Wir nehmen den Apothekenmitarbeitern ihren Arbeitsplatz weg.« Und das ist keine Drohung der Arbeitgeber, sondern eine tiefe Sorge der Mitarbeiter.
Diese Botschaft könnte womöglich der Politik die Augen öffnen: Hier ist ein Eingriff geplant, der vollkommen jenseits des Angemessenen ist. Die Beteiligung erscheint nach den Grußworten der Politiker beim Apothekertag auch nötig. Sie ließen offen, ob sich an der Großhandelsvergütung noch etwas ändert. Man zeigte zwar Verständnis, will auch noch einmal nachrechnen. Konkreter wurden die Politiker der Regierungsparteien aber nicht. Da kommt die Unterstützung der Apothekenmitarbeiter zur richtigen Zeit.
Daniel Rücker, Chefredakteur