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Diabetes-Risiko

Süßstoffe schaden dem Stoffwechsel

30.09.2014  12:16 Uhr

Von Rolf Thesen / Schlechte Nachrichten für Abnehmwillige und Diabetiker: Künstliche Süßstoffe können zu Gewichtszunahme führen und eine Glucose-Intoleranz auslösen, eine Vorform des Diabetes mellitus. Die Substanzen verändern einer in »Nature« veröffentlichten Studie zufolge die Darmflora so, dass dies negative Auswirkungen auf den menschlichen Stoffwechsel hat.

Künstliche Süßstoffe gelten aufgrund ihres geringen Kaloriengehalts als gesunde Alternative zum klassischen Haushaltszucker (Saccharose). Außer zum Süßen von Kaffee und Tee werden sie in zunehmendem Maß kalorien­armen Softgetränken und Fertiggerichten zugesetzt, um Adipöse oder Dia­betiker bei ihren Diätbemühungen zu unterstützen. 

 

Mit den Ergebnissen ihrer Studien konnten Jotham Suez und Kollegen vom Weizman Institute of Science in Rehovot, Israel, nun eine schädliche Wirkung von Süßstoffen konkret nachweisen. Die Forscher waren skeptisch geworden, weil trotz der zunehmend verbreiteten Anwendung der kalorienarmen Zuckeralternativen weltweit die Zahl Adipöser seit Jahren kontinuierlich zunimmt, ebenso wie die der Typ-2-Diabetiker.

 

Im ersten Experiment setzten sie dem Trinkwasser von Mäusen über elf Wochen entweder Saccharin, Aspartam oder Sucralose zu. Die Menge entsprach der maximalen täglichen Verzehrempfehlung für Menschen. Als Kontrolle dienten Tiere, die reines Wasser oder Wasser mit Glucose- oder Saccharose-Zusatz bekamen.

 

Beim anschließenden Glucose-Toleranztest zeigte sich, dass die mit den Süßstoffen gefütterten Mäuse im Laufe des Versuchs eine Glucose-Intoleranz entwickelt hatten: Ihre Glucose-Werte lagen höher als bei den Kontrolltieren. Diesen Effekt beobachteten die Forscher sowohl bei normalgewich­tigen als auch bei vorher gemästeten Mäusen (doi: 10.1038/nature13793).

 

Veränderte Darmflora

 

Da die verwendeten Süßstoffe nicht resorbiert werden, vermuteten die Wissenschaftler die Ursache in einer veränderten Darmflora. Um ihren Verdacht zu erhärten, behandelten sie die mit Süßstoffen gefütterten Mäuse über vier Wochen mit hohen Dosen eines Antibiotikums, um die Darmkeime auszuschalten. Das Ergebnis: Trotz Süßstoffgabe entwickelten diese Mäuse keine Glucose-Intoleranz.

 

Die Forscher übertrugen nun die Darmbakterien der mit Süßstoff behandelten Tiere auf andere Mäuse, die unter sterilen Laborbedingungen aufgezogen worden waren. Durch den Stuhltransfer entwickelte sich bei den vorher mikrobenfreien, gesunden Tieren eine Glucose-Intoleranz – nach Ansicht der Forscher ein klarer Beleg dafür, dass die veränderte Darmflora zu einer Störung des Zuckerstoffwechsels geführt hatte.

 

Bei einer DNA-Analyse des Mikro­bioms fanden sich tatsächlich deutliche Unterschiede zwischen den mit Süßstoff gefütterten Mäusen und den Kon­trolltieren. Einige in der Regel seltene Bakteriengruppen waren bei den Süßstoff-gefütterten Mäusen ungewöhnlich stark vertreten, andere unterrepräsentiert. Vor allem Bakterien, die vermehrt Kohlenhydrate abbauen, hatten zugenommen, sodass der Verdacht aufkam, die dabei entstandenen Zucker seien vom Darm resorbiert worden und hätten die beobachtete Glucose-Intoleranz provoziert. Auch die Stoffwechsel­aktivität der Darmflora hatte sich verändert, möglicherweise weil aus der verzehrten Nahrung größere Energiemengen aufgenommen wurden. Trotz des verminderten Kaloriengehalts kann es daher aufgrund der besseren Energieausbeute zu Übergewicht kommen.

 

Ernährungsstudie beim Menschen

 

Entsprechendes ließ sich beim Menschen beobachten. Bei der Analyse einer laufenden Ernährungsstudie (Personalized Nutrition Project) mit fast 400 Probanden ohne Diabetes fanden die Forscher eine Korrelation zu den Ergebnissen aus den Mäuseexperimenten. Probanden mit hohem Süßstoffkonsum wogen mehr, zudem hatten sie eine veränderte Darmflora, höhere Nüchtern-Blutzucker- und HbA1c-Werte sowie eine gestörte Glucose-Toleranz gegenüber Teilnehmern mit niedrigem Süßstoffgebrauch.

 

Das Forscherteam ging noch einen Schritt weiter: In einer Pilotstudie erhielten sieben gesunde Probanden, die zuvor keine Süßstoffe eingenommen hatten, die von der US-Lebensmittel­behörde empfohlene maximale tägliche Verzehrmenge Saccharin von 5 mg pro kg Körpergewicht. Bereits nach einer Woche verschlechterten sich bei vier Probanden die Ergebnisse im oralen Glucose-Toleranztest, die drei anderen zeigten keine Reaktion. Bei der anschließenden Stuhluntersuchung zeigten die Responder eine veränderte Darmflora, die Nicht-Responder nicht.

 

Es bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen die Studienergebnisse bei den zuständigen Behörden und der Lebensmittelindustrie haben werden. Angesichts des möglicherweise erhöhten Diabetesrisikos könnte eine Neubewertung der Zuckeraustauschstoffe nötig sein. Diese Meinung vertritt auch die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie: Die Einschätzung, dass Süßstoffe, die nicht nur in Diät- oder Light-Getränken enthalten sind, sondern auch immer häufiger Fertignahrungsmitteln zugesetzt werden, als unbedenklich gelten, »kann so jetzt nicht mehr aufrecht erhalten werden«. /

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