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Softdrinks

Dickmacher Zuckerwasser

25.09.2012  17:14 Uhr

Von Annette Mende / New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg hat in seiner Stadt ein Verkaufsverbot für Großportionen von zuckerhaltigen Getränken durchgesetzt. Dass das ein sinnvoller Schritt im Kampf gegen die Fettleibigkeit ist, zeigen mehrere Studien, die jetzt in der Onlineausgabe des »New England Journal of Medicine« erschienen sind.

Ab März 2013 dürfen in New York kalorienreiche Softdrinks, aber auch mit Zucker gesüßter Kaffee in Restaurants, Kinos und Stadien nicht mehr in Behältern verkauft werden, die größer sind als 16 Unzen, also 473 Milliliter. Die in den USA so beliebten XXL-Getränke­becher dürfen dann nur noch Wasser, Light-Softdrinks, Fruchtsäfte oder Bier enthalten.

»Ich glaube, das ist der größte einzelne Schritt, den je eine Stadt im Kampf gegen die Fettleibigkeit gemacht hat«, kommentierte Bürgermeister Michael Bloomberg, auf dessen Betreiben das Verbot zustande kam, den Beschluss des New Yorker Gesundheitsrats. Er zeigte sich überzeugt davon, dass andere Gemeinden dem Beispiel folgen werden: »Sicherlich werden es viele andere Städte nicht dabei bewenden lassen. Wir glauben, dass das Leben retten wird.«

 

Bloomberg ist bekannt für seine ambitionierten – und teilweise sehr umstrittenen – Gesetzesinitiativen zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit. So setzte er bereits gegen den Widerstand verschiedener Lobbyvereinigungen ein Rauchverbot in Bars und Parks durch, verbot die Verwendung von trans-Fettsäuren und verpflichtete Restaurantketten dazu, in allen Filialen die Kaloriengehalte ihrer Gerichte auszuhängen.

 

Widerstand der Industrie

 

Gegen die Mengenbegrenzung bei Softdrinks läuft jetzt die Getränkeindustrie Sturm. Seit Monaten prangt auf den Lieferwagen der Hersteller eine stilisierte Freiheitsstatue. Darunter steht: »Wollen Sie sich wirklich von einem Bürokraten vorschreiben lassen, aus was für einem Becher Sie trinken sollen?« Es ist damit zu rechnen, dass der Verband der Getränkehersteller gegen das Verbot Klage einreichen wird. »Das ist nicht das Ende«, sagte ein Verbandssprecher der »New York Times« direkt nach der Entscheidung des Gesundheitsrats.

 

Höchstwahrscheinlich ist es kein Zufall, dass in der Onlineausgabe des renommierten »New England Journal of Medicine« jetzt zeitgleich drei Studien erschienen, die sich mit dem Einfluss zuckerhaltiger Getränke auf das Körpergewicht beschäftigen. Alle drei sind Wasser auf die Mühlen Bloombergs. Sie lassen sich auf die einfache Formel reduzieren, dass das Zuckerwasser dick macht.

 

Eine Gruppe um David Ludwig vom Kinderkrankenhaus in Boston untersuchte, wie sich der Body-Mass-Index (BMI) von bereits übergewichtigen oder adipösen Jugendlichen entwickelt, wenn sie von zuckerhaltigen Softdrinks auf Light-Getränke umsteigen (doi: 10. 1056/NEJMoa1203388). Als Vergleich dienten Altersgenossen mit vergleichbaren BMI, die ihr Trinkverhalten nicht umstellten. Nach einem Jahr war der Durchschnitts-BMI in beiden Gruppen gestiegen, in der Light-Getränke-Gruppe jedoch signifikant weniger. Kehrten diese Jugendlichen wieder zu alten Trinkgewohnheiten zurück, wuchs sich der Effekt aus: Ein Jahr nach dem Ende der Intervention fiel der BMI-Anstieg bei allen Teilnehmern der Studie wieder ähnlich hoch aus.

 

Noch jünger als die von Ludwig und Kollegen untersuchten Jugendlichen waren die Teilnehmer einer niederländischen Studie. Forscher um Janne de Ruyter von der Universität Amsterdam beschäftigten sich darin mit dem Einfluss gesüßter Getränke auf die Entwicklung von ursprünglich normalgewichtigen Vier- bis Elfjährigen (doi: 10.1056/NEJMoa1203034). Die Kinder erhielten in der doppelblinden, randomisierten Studie einmal täglich in der Schule entweder ein zuckerhaltiges oder ein mit Süßstoff gesüßtes Getränk. Nach anderthalb Jahren hatten die Kinder in der Zucker-Gruppe signifikant mehr zugenommen als die Kinder in der Süßstoff-Gruppe. Bei Letzteren war zudem ein geringerer Zuwachs des Körperfettanteils zu verzeichnen. Dieser Unterschied war ebenfalls signifikant.

 

Einen theoretischeren Ansatz verfolgten die Autoren der dritten Arbeit. Die Arbeitsgruppe um Lu Qi von der Harvard School of Public Health untersuchte anhand mehrerer großer Beobachtungsstudien, ob Menschen mit einer genetischen Veranlagung zur Fettleibigkeit eher adipös werden, wenn sie häufig zuckerhaltige Getränke zu sich nehmen (doi: 10.1056/NEJMoa1203039). Als Marker für das genetische Adipositas-Risiko dienten ihnen dabei 32 Loci, die bekanntermaßen mit hohen BMI-Werten korrelieren.

 

Kalorienbombe, aber kein Sattmacher

 

In den untersuchten Datensätzen waren diese Adipositas-Risikogene bei Menschen, die viel Zuckerhaltiges tranken, sehr viel häufiger zu finden als bei Menschen, die auf diese Getränke weitgehend verzichteten. Das zeigte sich auch auf der Waage: Bei genetischer Prädisposition für Fettleibigkeit waren diejenigen mit einem hohen Softdrink-Konsum sehr viel häufiger übergewichtig oder adipös als diejenigen, die nur wenig davon tranken.

 

Wie genau die Gene das Verlangen nach süßen Getränken steuern, ist unklar. Sicher ist hingegen, dass zuckerhaltige Softdrinks eine hohe Kaloriendichte mit einem niedrigen Sättigungsfaktor verbinden, weshalb sie die absolute Energiezufuhr in der Regel stark erhöhen. Darüber hinaus sind die Kohlenhydrate aus Cola und Limo schnell verfügbar, sodass die Gefahr für Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes steigt.

 

New Yorks streitbarer Bürgermeister liegt also absolut richtig, wenn er im Kampf gegen die Fettleibigkeit und ihre Folgen jetzt auch gegen die Süßgetränke zu Felde zieht. Den Herstellern wird es schwerfallen, gegen diese überwältigende Evidenz Argumente zu finden, die den weiteren Verkauf von Softdrinks in Riesenportionen rechtfertigen. / 

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