2. Schutz der Mitarbeiter |
21.09.2009 12:13 Uhr |
2. Schutz der Mitarbeiter
Ein weiteres Ziel der Vorbereitungsmaßnahmen in der Apotheke ist, die Mitarbeiter so gut wie möglich vor Ansteckung zu schützen. Übertragen wird der Erreger der Schweinegrippe, das Influenza-A-Virus des Subtyps H1N1, nach heutigem Kenntnisstand überwiegend durch Tröpfchen, die relativ groß sind (> 5 µm) und beim Sprechen, Husten oder Niesen entstehen und über eine geringe Distanz von etwa 1,8 Metern auf die Schleimhäute von Kontaktpersonen gelangen können. Zudem können die Viren auch über sogenannte Tröpfchenkerne, die kleiner sind (< 5 µm) und länger in der Luft schweben können, übertragen werden (aerogene Übertragung). Darüber hinaus kann eine Infektion auch durch direkten Kontakt des Patienten (Händeschütteln) oder indirekten Kontakt zu kontaminierten Gegenständen wie Rezept, Geld, Taschentücher oder dem HV-Tisch und anschließendem Berühren von Mund oder Nase mit der Hand erfolgen (Schmierinfektion).
2.1. Gefährdung beurteilen
Je nach Tätigkeit sind die Mitarbeiter in Apotheken in unterschiedlichem Maß gefährdet, sich anzustecken. Die Apothekenleitung ist nach dem Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, erforderliche Maßnahmen zu treffen, um die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Da Influenzaviren zu den biologischen Arbeitsstoffen zählen, ist für den Pandemiefall die Apothekenleitung laut § 5 der Biostoffverordnung verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Das Formular zur Gefährdungsbeurteilung stellt die ABDA unter www.abda.de/influenzapandemie100.html mit einer ausführlichen Erläuterung zum Ausfüllen zur Verfügung. Es ist auch in der Broschüre »Empfehlungen zu Schutzmaßnahmen in Apotheken während einer Influenza-Pandemie« enthalten, die ebenfalls auf der ABDA-Website zu finden ist.
Die Gefährdungsbeurteilung ist für verschiedene Tätigkeitsbereiche getrennt auszufüllen. In dem Formular sollten jeweils unter anderem die Tätigkeit, Dauer der Tätigkeit, das Infektionspotenzial und die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen kurz beschrieben werden. Als Vorlage für das Ausfüllen der Formulare enthält die Broschüre »Empfehlungen zu Schutzmaßnahmen in Apotheken während einer Influenza-Pandemie« drei Musterbögen für die drei Tätigkeiten »Arzneimittelabgabe in der Offizin«, »Arzneimittelabgabe im Botendienst« und »Reinigungstätigkeiten«. Als weitere Hilfe für die Gefährdungsbeurteilung sind in der BAK-Broschüre drei Standards enthalten, aus denen die entsprechenden Formulierungen übernommen werden können.
Aus dem Ergebnis der Beurteilung werden dann die erforderlichen Schutzmaßnahmen abgeleitet. Die Mitarbeiter müssen regelmäßig und in geeigneter Form über die Übertragungswege des Influenzavirus und die Arbeitsschutzmaßnahmen aufgeklärt werden. Diese Schulungen sind zu dokumentieren und von den Beteiligten zu unterschreiben. Ein entsprechender Dokumentationsbogen ist in der BAK-Broschüre »Influenza-Pandemie – Risikomanagement in Apotheken« als Anhang 3 enthalten. Dort sind auch für die Mitarbeiterunterweisung geeignete Unterlagen aufgeführt, die alle auf der ABDA-Website zu finden sind.
2.2. Impfung der Mitarbeiter
Der effektivste Schutz vor einer Infektion ist die Impfung. Ein entsprechender Pandemie-Impfstoff könnte Mitte oder Ende Oktober zur Verfügung stehen (siehe dazu 5. Impfstoffe). Da Apothekenmitarbeiter zum medizinischen Personal zählen, gehören sie zu einer der Risikogruppen, die bevorzugt geimpft werden sollen. Einzelheiten, wie eine solche Impfung organisiert werden kann, unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland und sind bislang auch nicht abschließend geklärt. Sinnvoll ist es zudem, sich zusätzlich gegen die saisonale Grippe impfen zu lassen. Kompetenter Ansprechpartner zu den Impfungen ist der Betriebsarzt, den jede Apotheke laut § 1 Arbeitssicherheitsgesetz haben muss (siehe dazu Kasten) Er kann auch zu weiteren Schutzmaßnahmen wie Hygienevorkehrungen, medikamentöse Prophylaxe und Atemschutz beraten.
Jedes Unternehmen, das mehr als einen Mitarbeiter beschäftigt, muss einen Betriebsarzt verpflichten. Gesetzlich zugelassen sind nur Fachärzte für Arbeitsmedizin oder Ärzte mit der Zusatzbezeichnung »Betriebsmedizin«. Das können niedergelassene Arbeitsmediziner sein oder Ärzte, die für einen überbetrieblichen arbeitsmedizinischen Dienst arbeiten. Nähere Informationen gibt es beim Berufsverband selbstständiger Arbeitsmediziner und freiberuflicher Betriebsärzte (www.bsafb.de) und beim Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte (www.vdbw.de). Der VDBW hält auf seiner Website unter der Rubrik »Arbeitsmedizin« auch eine Suchabfrage zur Suche von Arbeitsmedizinern in der Region bereit.
2.3. Medikamentöse Prophylaxe
Für den Fall, dass die Erkrankungszahlen ansteigen, bevor Impfungen durchgeführt wurden, kann es unter Umständen sinnvoll sein, eine Postexpositionsprophylaxe oder Langzeitprophylaxe mit Neuraminidasehemmern durchzuführen. Jede Apotheke kann entsprechende Präparate für die Mitarbeiter einlagern. Das Apothekenpersonal sollte nicht aus der Pandemieware versorgt werden. Eine Prophylaxe sollte nur unter ärztlicher Kontrolle erfolgen.
2.4. Hygienemaßnahmen
Um Ansteckungen zu vermeiden, ist es zudem wichtig, allgemeine Hygieneregeln zu beachten. Eine entscheidende Maßnahme dabei ist die räumliche Distanz zwischen Patienten und Apothekenpersonal. Bei der Beratung und Arzneimittelabgabe ist ein möglichst hoher Abstand einzuhalten. Wenn die Kundenzahl es zulässt, kann die Arzneimittelabgabe auch ausschließlich über die Notdienstklappe erfolgen. Händeschütteln ist auch bei guten Kunden zu unterlassen. Die Hände sollten möglichst vom Gesicht ferngehalten werden, um Kontakt mit Mund, Nase oder Augen zu vermeiden. Das Infektionsrisiko lässt sich auch senken, indem die Räume (Offizin) gut durchlüftet werden. Apothekenmitarbeiter, die Arzneimittel nach Hause liefern, sollten die Wohnung möglichst nicht betreten. Entgegengenommene Rezepte können gegebenenfalls einzeln in verschließbaren Plastiktüten verpackt werden.
Mitarbeiter im Handverkauf sollten Kittel tragen, die möglichst viel unbedeckte Haut und Privatkleidung bedecken. Daher sollten die Kittel geschlossen und am besten langärmelig sein. Nach Dienstende und nach erfolgter Kontamination sind die Kittel zu wechseln. Sinnvoll ist es, wenn Arbeitskleidung und Straßenkleidung getrennt aufbewahrt werden und nicht miteinander in Kontakt kommen. In den Pausen sollten die Kittel abgelegt werden.
Allgemeine Tipps, wie sich Privatpersonen gegen Viren verteidigen können, stellt die Aktion »Wir gegen Viren« auf ihrer Website www.wir-gegen-viren.de vor. Wichtig ist vor allem auch regelmäßiges Händewaschen, nämlich vor dem Essenzubereiten, vor dem Essen, nach dem Toilettengang, wenn man zum Arbeitsplatz oder nach Hause kommt. Die Hände sollten unter fließendes Wasser gehalten, und anschließend Seife 20 bis 30 Sekunden auch zwischen den Fingern verrieben werden. Dann sind die Hände sorgfältig abzuspülen und abzutrocknen.
2.4.1. Desinfektion
Händewaschen ist eine wirksame Methode, Grippeviren von der Hand zu entfernen beziehungsweise ihre Zahl so weit zu reduzieren, dass eine Infektion nicht mehr möglich ist. Doch im Apothekenalltag ist dies schlecht zu praktizieren. Denn die Hände sollten häufig, mindestens zehnmal pro Tag, und nach jedem Kontakt mit potenziell Infizierten oder kontaminierten Gegenständen (zum Beispiel Geld, Rezept) gewaschen werden. Dies ist im Handverkauf in der Apotheke kaum möglich. Eine praktikablere Alternative ist die Händedesinfektion. Sie ist wirksamer als das Händewaschen, nicht an feste Plätze gebunden, schneller und hautfreundlicher. Besonders geeignet für den Apothekenalltag sind sogenannte Taschenflaschen mit 100 bis 200 ml Inhalt, die in die Kitteltasche passen. Damit steht jedem Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz eine wirksame Methode zur Händehygiene zur Verfügung.
Geeignet sind Händedesinfektionsmittel mit Wirksamkeit gegen umhüllte Viren, die vom Hersteller als »begrenzt viruzid wirksam« deklariert werden. Zusätzlich sind Ethanol 80 Vol. %, Isopropanol 70 Vol. % und n-Propanol 60 Vol. % wirksam. Entsprechende Desinfektionsprodukte sind in der aktuellen IHO-Viruzidie-Liste (www.iho-viruzidie-liste.de) aufgeführt.
Bei der hygienischen Händedesinfektion dürfen an Händen und Unterarmen keine Schmuckstücke, Uhren und Ringe getragen werden, da diese die Wirksamkeit der Händedesinfektion vermindern können. Das Desinfektionsmittel sollte auf die trockene Hand (ohne Zugabe von Wasser vor oder während des Verfahrens) aufgebracht und über die vorgeschriebene Einwirkzeit durch definiertes Aneinanderreiben der Hände gleichmäßig verteilt werden, sodass die Hände vollständig benetzt sind und während der gesamten Einwirkzeit feucht bleiben. Hierfür sind etwa 5 ml nötig. Nagelfalze und Fingerkuppen sind in jedem Fall besonders intensiv zu behandeln.
2.4.2. Flächendesinfektion
Der Erreger ist als behülltes Virus gegen schädigende Umwelteinflüsse relativ empfindlich, in Abhängigkeit von den Umgebungsbedingungen (zum Beispiel Feuchtigkeit und Temperatur) kann er allerdings über mehrere Stunden, bei niedrigen Temperaturen (< 20 °C) persistieren. So zum Beispiel auch auf HV-Tischen oder Broschürenständern. Daher besteht die Gefahr, dass sich Apothekenmitarbeiter über Schmierinfektionen anstecken können. Daher sollten Flächen, die besonders häufig in Kontakt mit Patienten kommen, regelmäßig desinfiziert werden. Hierzu zählen Türgriffe, Nachtdienstklingel und -schalter, der Handverkaufstisch, Tisch und Stühle für die Kunden und Broschürenständer im HV-Bereich. Beim Fußboden ist die tägliche Reinigung ausreichend. Um die erforderlichen Arbeiten zu koordinieren, ist es sinnvoll, eine Ergänzung zum Reinigungs- und Desinfektionsplan zu verfassen. Hierfür sind in der Broschüre »Empfehlungen zu Schutzmaßnahmen in Apotheken während einer Influenza-Pandemie« alle notwendigen Aufgaben in einem Plan zusammengefasst.
Ebenso wie bei der Händedesinfektion sind zur Flächendesinfektion Ethanol 80 Vol. %, Isopropanol 70 Vol. % und n-Propanol 60 Vol. % geeignet sowie alle Desinfektionsmittel mit einem »begrenzt viruziden« Wirkspektrum. Welche Präparate dies sind, ist der aktuellen IHO-Viruzidie-Liste zu entnehmen. Der Link zu dieser Liste ist in der Linkliste Informationsquellen im Internet zu finden.
Für die Desinfektion kleinerer Flächen wie Türgriffe eignen sich alkoholische Schnelldesinfektionsmittel. Sie sollten reichlich auf ein sauberes Tuch gegeben werden, mit dem dann die zu reinigenden Flächen abgewischt und dabei gründlich mit Desinfektionsmittel benetzt werden. Die Flächen sollten anschließend vollständig abtrocknen. Dabei sind die Herstellerangaben zu Einwirkzeiten zu beachten. Diese können erheblich schwanken und liegen zwischen 30 Sekunden und 60 Minuten. Die desinfizierten Flächen können erst nach vollständigem Abtrocknen benutzt werden, ansonsten ist das Desinfektionsergebnis vermindert. Lange Einwirkzeiten im HV-Bereich können die Abläufe während der Öffnungszeiten stark beeinträchtigen. Daher bietet es sich an, den HV-Tisch abschnittsweise zu desinfizieren und die jeweiligen Abschnitte so lange zu sperren.
Bei der Zubereitung von Desinfektionsmittellösungen ist zu beachten, dass nur kaltes oder lauwarmes Wasser, kein heißes Wasser verwendet werden darf und dass das Konzentrat nur in das Wasser und nicht umgekehrt gegeben werden darf. Für die Konzentration sind ebenfalls die Herstellerangaben einzuhalten, da zu niedrige Dosierungen die Wirkung beeinträchtigen und zu hohe Dosierungen die Gesundheit und das Material beschädigen können.
Für die Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten sollten die Apothekenmitarbeiter flüssigkeitsdichte, chemikalienbeständige Schutzhandschuhe tragen, die den Unterarm bedecken. Diese sollten gegen die eingesetzten Reinigungs- und Desinfektionsmittel beständig sein (Herstellerangaben beachten). Dünne medizinische Schutzhandschuhe sind nicht geeignet. Die berufgenossenschaftlichen Regeln, die beim Einsatz von Desinfektionsmitteln gelten, sind in BGR 250 (TRBA 250) und BGR 206 aufgeführt. Die Links zu diesen Schriftstücken sind in der Linkliste Informationsquellen im Internet zu finden.
2.5. Atemschutz
Unter Umständen kann es bei einer Pandemie nötig sein, dass Apothekenmitarbeiter Atemschutzmasken tragen. Hier sind partikelfiltrierende Halbmasken (FFP 2) gemäß DIN EN 149 zu verwenden. Um das korrekte Anlegen sicherzustellen, sind die Herstellerangaben zu beachten. Der Umgang mit den Masken sollte mit den Mitarbeitern eingeübt werden. Für jeden Mitarbeiter ist pro Tag eine Maske einzuplanen. Da das Tragen der Atemschutzmasken physisch anstrengend ist, sollten die im Handverkauf tätigen Mitarbeiter regelmäßig abgelöst werden. Dabei ist die vom Hersteller angegeben zeitliche Begrenzung der Tragezeiten zu beachten. Genauere Anweisungen sind im »Beschluss des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe 609« enthalten.