Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign
Almorexant

Gute Nacht dank Orexin-Blockade

Datum 21.09.2010  18:09 Uhr

Von Brigitte M. Gensthaler / Schlafstörungen sind weit verbreitet. Etwa 20 bis 30 Prozent der Erwachsenen sollen betroffen sein. Die zugelassenen Hypnotika haben zum Teil erhebliche Nebenwirkungen. Mit Almorexant könnte ein Medikament auf den Markt kommen, das an einem ganz neuen Zielmolekül angreift: den Orexin-Rezeptoren.

Wenn Schäfchenzählen und allgemeine Maßnahmen der »Schlafhygiene« nicht mehr helfen, fragen viele Patienten nach Sedativa und Hypnotika. In der Selbstmedikation kann der Apotheker nur Phytopharmaka, zum Beispiel mit Baldrian, Hopfen und Melisse, sowie sedierende Antihistaminika abgeben. In der ärztlichen Verordnung dominieren die Benzodiazepine und die Z-Substanzen Zolpidem, Zopiclon und Zaleplon. Aufgrund ihrer Nebenwirkungen wie Hang-over und Abhängigkeitspotenzial sollten sie immer möglichst kurz, in niedriger Dosierung und bei klarer Indikation gegeben werden. Die ebenfalls verschreibungspflichtigen »Oldies« Chloralhy­drat und Barbiturate gelten als obsolet.

Es gibt auch einige Neuerungen auf dem Gebiet der Schlafmittel. Vor etwa zwei Jahren wurde retardiertes Melatonin eingeführt, das für die kurzzeitige Behandlung der primären Insomnie bei Patienten über 55 Jahren zugelassen ist. Ebenfalls an Melatonin-Rezeptoren setzt der (noch nicht zugelassene) Wirkstoff Tasimelteon als Agonist an. Ein weiterer Agonist an den Melatonin-Rezeptoren im Hypothalamus ist Agomelatin, das 2009 zur Behandlung der Depression (Major Depression) auf den deutschen Markt kam.«

 

Angriff im Orexin-System

 

In Phase III der klinischen Prüfung steht Almorexant als erster Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse: die Orexin-Rezeptor-Antagonisten. Orexine sind Neurohormone, die den Schlaf-Wach-Rhythmus steuern und den Wachzustand stabilisieren (Kasten). Antagonisten an Orexin-Rezeptoren sollen den Schlaf induzieren und die nächtlichen Wachphasen reduzieren. Entdeckt und entwickelt wurde der neue Arzneistoff, ein Tetrahydroisoquinolin-Derivat, von der Schweizer Firma Actelion.

Almorexant wird peroral eingenommen, überwindet die Blut-Hirn-Schranke und kann beide Orexinrezeptoren reversibel blockieren (dualer Hemmstoff). Präklinische und Phase-I-Studien haben gezeigt, dass der Wirkstoff bei Tieren und Menschen den Schlaf fördern kann. In einer Studie wurden Einzeldosen von 1 bis 1000 mg im Vergleich zu 10 mg Zolpidem geprüft. Der neue Wirkstoff flutete rasch an, die Plasmakonzentrationen sanken innerhalb von acht Stunden wieder ab. Das Medikament war gut verträglich. Nach Modellrechnungen dürften 500 mg Almorexant äquivalent zu 10 mg Zolpidem sein.

 

In einer Proof-of-Concept-/Dosisfindungsstudie verbesserte Almorexant die Schlafeffizienz bei Patienten mit primärer Insomnie abhängig von der Dosierung (100, 200 und 400 mg) deutlich. Als Schlaf­effizienz bezeichnet man die mithilfe der Polysomnografie gemessene Zeit, die der Patient nachts im Bett während acht Stunden schläft. Zudem reduzierte das Medikament die Zeit bis zum Einschlafen (bei 400 mg signifikant) und das Aufwachen nach Schlafbeginn (WASO: wake after sleep onset).

 

Erste Daten aus Studienprogramm

 

Im Dezember 2007 startete Actelion (seit Mitte 2008 gemeinsam mit GSK) das Studienprogramm Restora (REstore normal physiological Sleep with The Orexin Receptor antagonist Almorexant) zur Untersuchung von Sicherheit und Wirksamkeit des dualen Hemmstoffs. Die Firmen streben die Zulassung zur Behandlung der primären Insomnie bei Erwachsenen und älteren Menschen an.

Wach bleiben mit Orexinen

Orexine sind Neuropeptidhormone, die erstmals in den späten 1990er-Jahren beschrieben wurden. Sie werden im Hypothalamus produziert. Bislang sind Orexin A und B, auch als Hypocretin-1 und -2 bezeichnet, bekannt. Die 33 und 28 Aminosäuren langen Peptide zeigen keine signifikante Homologie zu anderen Peptiden.

 

Physiologischerweise greifen Orexine regulierend in den Schlaf-Wach-Rhythmus ein, steuern die Nahrungsaufnahme und die Energiehomöostase. Daher auch der Name: »Orexin« stammt aus dem Griechischen und bedeutet Verlangen, Appetit. Ihre Wirkung entfalten sie über die Stimulation der beiden G-Protein-gekoppelten Orexin-1- und -2-Rezeptoren (OXR) im ZNS, die mit zahlreichen Zentren wie dem limbischen System, der Substantia nigra, den Raphe-Kernen, dem Locus coeruleus und anderen Hirnstammregionen in Verbindung stehen. Diese wiederum sind in die Regulation des Energiehaushalts, der Psychomotorik, des Schlaf-Wach-Rhythmus und der Kognition eingebunden. Elektrophysiologische Studien zeigten, dass Orexinneurone auch von Monoaminen, Acetylcholin und Triggersubstanzen wie Ghrelin, Leptin und Glucose reguliert werden.

 

Letztlich stabilisiert die Aktivierung von Orexinneuronen den Wachzustand. Ein Defizit dieser Neuronen soll bei der Narkolepsie eine Rolle spielen. Patienten mit Narkolepsie leiden an exzessivem Schlafbedürfnis, Halluzinationen und Kataplexie (kurzzeitiger Verlust der für die Körperhaltung notwendigen Muskelspannung). Diese Erkenntnisse führten zur Suche nach Orexin-Rezeptor-Modulatoren. Antagonisten sollen den Schlaf fördern, Agonisten werden zur Behandlung der Narkolepsie erforscht.

In der multizentrischen, doppelblinden, randomisierten und placebokontrollierten Restora-1-Studie wurden 100 und 200 mg Almorexant an 709 Erwachsenen mit chronischer primärer Insomnie geprüft. Referenzwirkstoff war Zolpidem. Die Studie lief allerdings nur über 16 Tage. Nach Angaben von Actelion wurde der primäre Endpunkt erreicht. Danach war Almorexant dem Placebo beim objektiven und subjektiven Schlaferhalt (WASO) hochsignifikant überlegen. Auch bei einigen sekundären Endpunkten der Studie seien statistisch hochsignifikante Resultate erreicht worden. Allerdings sei es zu Nebenwirkungen gekommen, die nun in längerfristigen Phase-III-Studien untersucht werden sollen. Obwohl das Konzept der Orexin-Blockade interessant erscheint: Dies lässt auf ein längeres Verfahren schließen. /

Kommentar: Vorsichtige Hoffnung

Der nicht bestimmungsgemäße Gebrauch von Benzodiazepinen ist weltweit und mit rund einer Million Betroffenen auch in Deutschland ein gravierendes Problem, das nicht zuletzt auf einem zu leichtfertigen Umgang mit diesen Arzneimitteln beruht. Angesichts der Bedeutung von Melatonin bei der Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus ist die klinische Erprobung von Melatonin und Melatonin-Analoga eine logische Konsequenz der Bemühungen um innovative Schlafmittel mit verbessertem Sicherheitsprofil. Ob zentrale Orexin-Rezeptoren ideale Targets für die Entwicklung innovativer Hypnotika sind, kann aus heutiger Sicht nicht abschließend beantwortet werden. Erste Studienergebnisse mit dem dualen Orexinrezeptor- Antagonisten Almorexant lassen zwar vorsichtige Hoffnung aufkommen, gleichzeitig fehlt es an belastbaren Daten insbesondere zu Langzeitwirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit.

 

Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz

Mitglied der Chefredaktion

Frag die KI
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
BETA
Menü
Zeit
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
Zeit
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
Senden
SENDEN
KI
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
KI
KI
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa