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Beschneidung

Schmerztherapie nicht gesichert

10.09.2013  16:53 Uhr

Von Ulrike Viegener / Bei der Beschneidung von kleinen Jungen muss es eine adäquate Schmerztherapie geben. So steht es im Beschneidungsgesetz, das Ende vergangenen Jahres verabschiedet wurde. Geeignete Lokalanästhetika fehlen jedoch.

Lange wurde über das Thema Beschneidung heftig debattiert – vor allem um die Frage, wie das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit mit dem Recht auf Religionsfreiheit in Einklang zu bringen sei. Mit Verabschiedung des Beschneidungsgesetzes im Dezember vergangenen Jahres flauten die Diskussionen ab – zu Unrecht, wie man inzwischen weiß. Denn was theoretisch per Gesetz gefordert wird, ist in der Praxis gar nicht sicherzustellen: dass nämlich die Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, und dazu gehört explizit auch eine qualifizierte Schmerztherapie.

Traditionell ohne Betäubung

 

Das Problem stellt sich in erster Linie bei der Beschneidung Neugeborener. Nach orthodoxem jüdischem Brauch erfolgt die Beschneidung am achten Tag. Durchgeführt wird die sogenannte Brit Mila traditionell von einem speziell ausgebildeten Mohel, der die Beschneidung in der Synagoge oder im häus­lichen Umfeld des Kindes vornimmt. Der Mohel kann, muss aber nicht zwingend ein Arzt sein.

 

Es ist davon auszugehen, dass viele rituelle Beschneidungen ohne adäquate Schmerzbehandlung erfolgen. Nicht selten gibt es überhaupt keine lokale Betäubung. Als Rechtfertigung für diese Praxis wird immer wieder angeführt, dass das Schmerzempfinden von Neugeborenen noch nicht ausgereift sei.

 

Diese These ist eindeutig falsch, heißt es in einer Stellungnahme der Deutschen Schmerzgesellschaft vom August 2012. Neugeborene leiden nachweislich unter Schmerzen. Vermutlich ist die Schmerzempfindlichkeit in diesem frühen Stadium sogar am höchsten und nimmt danach sukzessive ab. Nationale und internationale Fachgesellschaften fordern daher, chirurgische Eingriffe an Säuglingen auf das unerlässliche Ausmaß zu beschränken und nur unter einer fachgerechten Schmerzbehandlung und Schmerznachsorge durchzuführen.

 

Eine Option, die keine ist

 

Die bei Beschneidungen gängige Praxis erfüllt diese Anforderungen in aller Regel nicht. Wenn die Beschneidung nicht ganz ohne Betäubung erfolgt, ist es heute üblich, den Penis mit Emla-Creme (Wirkstoff-Kombination Lidocain/Prilocain) zu betäuben. Praktizierende berufen sich dabei auf eine einzige – vom Hersteller gesponserte – Studie aus den 1990er-Jahren, in der die Creme an einer kleinen Fallzahl in dieser Indikation geprüft wurde.

 

Ebenfalls auf dieser Untersuchung basierte ein Hinweis im Beipackzettel der frei verkäuflichen Schmerzcreme: »Allerdings hat sich bei Neugeborenen vor der Beschneidung die Anwendung von 1 g Emla auf die Vorhaut als unbedenklich erwiesen.« Das »allerdings« bezieht sich erstens darauf, dass die Schmerzcreme nicht bei Kindern unter zwölf Jahren angewendet und zweitens nicht auf Schleimhäute aufgebracht werden darf. Problematisch ist, dass das Lokalanästhetikum nur obere Hautschichten betäubt. Das hochsensible tieferliegende Penisgewebe, das bei der Beschneidung verletzt wird, ist so aller Wahrscheinlichkeit nach überhaupt nicht ausreichend analgetisch zu versorgen.

 

All diese Ungereimtheiten haben die europäische Arzneimittelbehörde EMA im Juni zu einem Statement veranlasst: Die Studienlage sei so dürftig, dass Emla-Creme als Schmerztherapie bei der Beschneidung von Neugeborenen nicht empfohlen werden könne. Der entsprechende Hinweis ist auf Anraten der EMA aus dem Beipackzettel verschwunden. Er findet sich aber noch in der Fachinformation.

 

Betäubung mit Haushaltszucker

 

Alternative Lokalanästhetika gibt es offenbar nicht. Saccharose, also Haushaushaltszucker, taucht in der Literatur als mögliches Schmerzmittel im Zusammenhang mit Beschneidungen Neugeborener auf. Er wird als Lösung oral verabreicht. Doch auch für diesen Ansatz liegen keine überzeugenden Daten vor.

 

Ein weiteres ungelöstes Problem ist die postoperative Analgesie. Eine anschließende Schmerzversorgung wird bei der Beschneidung Neugeborener in aller Regel nicht durchgeführt.

 

Abhilfe zum Wohl der Kinder ist aktuell nicht in Sicht. Kontrollen, die sicherstellen, dass die Vorgaben des Beschneidungsgesetzes auch wirklich eingehalten werden, gibt es nicht. Da viele Beschneidungen im häuslichen Rahmen stattfinden, wird es schwierig sein, die medizinisch-ethischen Minimalforderungen zu garantieren. /

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