Farbpsychologie |
25.08.2015 15:27 Uhr |
Viagra, das Potenzmittel für den Mann, ist blau. Flibanserin, die Lustpille für die Frau, ist pink. Mit dieser klassischen Farbsymbolik erschöpfen sich aber schon die Gemeinsamkeiten. Viagra verhilft Männern über einen physiologischen Wirkmechanismus zur Erektion – sofern diese Lust verspüren. Flibanserin soll dagegen diese Lust bei Frauen überhaupt erst erzeugen. Und während Viagra im Jahr 1998 recht flott den Zulassungsparcours absolvierte, benötigte Flibanserin dafür drei Anläufe. Vergangene Woche nun ließ die US-Arzneimittelbehörde FDA Flibanserin unter dem Namen Addyi™ zu (lesen Sie dazu Flibanserin: US-Zulassung von »Pink Viagra«).
Für die einen erfolgte damit ein längst überfälliger Schritt im Sinne der Gleichberechtigung. Immerhin gibt es für Männer etliche Mittel, dem Stehvermögen nachzuhelfen. Für die anderen handelt es sich um pure Geldmacherei und das Resultat einer perfiden Marketingstrategie. Abwegig ist dieser Verdacht nicht. Denn die Wirkung von Flibanserin ist gering. In den Zulassungsstudien verhalf der Serotonin-Modulator Frauen zu einem halben bis einem Mal mehr Sex pro Monat. Ob das die Einnahme wert ist, muss jede Anwenderin selbst entscheiden. Die Neben- und Wechselwirkungen sind jedenfalls nicht unerheblich. Der Konsum von Alkohol ist kontraindiziert. Schade eigentlich, denn auch geringe Mengen Alkohol können bekanntlich sexuell anregend wirken. Unter der Kombination drohen jedoch verstärkt unerwünschte Wirkungen wie ein massiver Blutdruckabfall bis hin zur Ohnmacht. Zumindest Letztere sollte im Idealfall ursächlich allein der sinnraubenden Männlichkeit des Partners vorbehalten bleiben. Die US-Zulassungsbehörde FDA bemüht sich um Schadensbegrenzung, indem sie deutlich sichtbare Warnhinweise an den Anfang der Fachinformation stellt und die Erlaubnis zur Verordnung beziehungsweise Abgabe des neuen Präparats nur eigens zertifizierten Ärzten und Apothekern erteilt.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die europäische Arzneimittelbehörde EMA dieser Problematik stellt. Noch liegt ihr kein Antrag auf Zulassung vor. Befürwortet die Behörde eine Markteinführung, sollte hierzulande aber zumindest die Farbpsychologie konsequenter umgesetzt werden als in Amerika. Denn das Lustempfinden zu steigern verspricht eigentlich nur eine Farbe – leidenschaftliches Rot.
Kerstin A. Gräfe
Ressortleitung Pharmazie