Pharmazeutische Zeitung online
Glitazone und Glinide

Kassen müssen weiter zahlen

24.08.2010  15:16 Uhr

PZ / Der Gemeinsame Bundesausschuss muss besser begründen, wieso Glitazone und Glinide demnächst nicht mehr von den Krankenkassen erstattet werden sollen. Das Bundesministerium für Gesundheit stimmte einem entsprechenden GBA-Beschluss vom 17. Juni nicht zu, wie aus zwei Schreiben hervorgeht, die der Pharmazeutischen Zeitung vorliegen. Damit können Ärzte die Antidiabetika zunächst weiter zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnen (siehe Kommentar).

Das BMG bemängelt, dass der GBA den Glitazonen generell »Unzweckmäßigkeit« vorwirft, ohne auf therapeutische Sonderfälle wie Metformin-Unverträglichkeit einzugehen. Zudem sind die Glitazone für verschiedene Kombinationstherapien zugelassen, die der GBA aus Sicht des BMG nicht differenziert genug betrachtet. Bei den Gliniden bemängelte der GBA die wissenschaftliche Studienlage. Hier verlangt das BMG eine genauere Begründung. Auch zweifelt es eine Nutzenbewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen an. Das IQWiG hatte darin die Glinide mit Metformin und Sulfonylharnstoffen verglichen, jedoch nicht zu deren Nutzen Stellung genommen. Auch ist dem BMG nicht klar, wie der Ausschluss der Glinide zu Einsparungen für die GKV beitragen könnte. / 

Kommentar

Für viele Experten war der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses ­(GBA) vom 17. Juni 2010, Glinide und Glitazone im Regelfall von der Verordnungsfähigkeit zulasten der GKV auszuschließen und eine Erstattung künftig nur noch in medizinisch begründeten Einzelfällen zu gestatten, ein undifferenzierter therapeutischer Kahlschlag. Entsprechend empört reagierte zum Beispiel auch die Deutsche Diabetes-Gesellschaft, die »aufgrund der Heterogenität der Diabeteserkrankung und aufgrund unterschiedlicher Lebensumstände und beruflicher Erfordernisse der Patienten eine individuell abgestimmte Therapie für erforderlich hält, bei der auch Glinide und Glitazone eingesetzt werden können«.

 

Dieser Ansicht hat sich jetzt auch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) angeschlossen, das vom GBA eine bessere Begründung für seine drastische Entscheidung verlangt.

 

Wie ist dies zu werten?

 

Hier zeigt sich ein Dilemma der Arzneimittelverordnung unter dem Diktat von Instituten, Ausschüssen und Kostenträgern, wobei der generelle Eindruck vermittelt wird, dass Leistungen immer stärker eingeschränkt werden und die Therapiefreiheit des Arztes immer stärker beschnitten wird. Das wäre kontraproduktiv – nicht nur aus der Sicht von Arzt und Patienten, sondern auch unter dem Aspekt eines ­immer stärker sichtbar werdenden Trends, Arzneimitteltherapien zu individuali­sieren.

 

Daher fordert auch die Deutsche Diabetes-Gesellschaft, dass es möglich bleiben muss, eine Abwägung eines Nutzen-Schaden-Verhältnisses für den individuellen Patienten durch den hierin erfahrenen Arzt in Kenntnis der individuellen Bedürfnisse des Patienten zu gewährleisten und nicht Therapieoptionen in einer generellen Form zu limitieren oder auszuschließen, wie dies der GBA-Beschluss nahelegt. Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft fordert deshalb, dass eine weitere Verordnungsmöglichkeit der jetzt vom Ausschluss bedrohten »second line«-Medikamente erhalten bleiben muss, da sich sonst die Diabetesbehandlung in Sondersituationen verschlechtern würde.

 

Liest man den GBA-Beschluss genau, so ist jedoch genau diese Forderung gewährleistet, sodass eigentlich kaum ein Problem besteht. Der jetzt gefasste Beschluss fordert lediglich eine hinreichende Begründung der »Ausnahmemedikation«.

 

Das eigentliche Problem ist ganz anders gelagert. Es besteht der begründete Verdacht, dass Beschlüsse des GBA nicht nur verkürzt gelesen, sondern auch verkürzt umgesetzt werden. Zu riskant und zu aufwendig erscheint es den Ärzten, Ausnahmen anzuwenden; zu groß ist die Drohung mit Regress. Und dies ist keineswegs unbegründet.

 

Wir brauchen deshalb eine neue Kultur des Miteinander-Umgehens, des Respekts vor der medizinischen Notwendigkeit, aber auch des differenzierten Einsatzes der Optionen zur Intervention. Weder sollten Ärzte aus ihrer medizinischen Verantwortung entlassen werden, indem sie sich auf strikte Vorgaben von Regulierungsinstitutionen berufen, noch sollte den Medizinern die Möglichkeit genommen werden, Patienten statt (nur) Krankheiten zu behandeln.

 

Professor Dr. Theo Dingermann und Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Mitglieder der PZ-Chefredaktion

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