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Rabattverträge

Preisschlacht mit Nebenwirkungen

16.08.2007  10:57 Uhr

Rabattverträge

<typohead type="3">Preisschlacht mit Nebenwirkungen

Von Uta Grossmann, Berlin

 

Die zweite Rabattvertragsrunde der AOK läuft. Derweil kritisieren Patientenvertreter Versorgungsengpässe der ersten Runde und mehr Fehlmedikationen. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) fordert erneut, Zielpreisvereinbarungen als Alternative.

 

170 Arzneimittelhersteller sind im Rennen um die neuen Rabattverträge mit den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK). Die Krankenkassen werden Ende September für ihre rund 25 Millionen Versicherten Verträge über 82 Wirkstoffe abschließen. In einer ersten Runde hatte die AOK im Herbst Rabattverträge für 89 Wirkstoffe ausgeschrieben. Nach Einschätzung des Frankfurter Instituts IMS Health könnte nach Abschluss der neuen Rabattvereinbarungen für die Jahre 2008 und 2009 der Anteil rabattierter Medikamente, die zu Lasten der AOK abgegeben werden, auf 40 Prozent klettern. Im ersten Halbjahr 2007 waren es 25 Prozent.

 

Während sich Krankenkassen und Gesundheitspolitiker über mehr Wettbewerb und Einsparungen durch die Rabattverträge freuen, haben die Apotheker weiterhin mit den Auswirkungen zu kämpfen. Patientenvertreter kritisieren Versorgungsengpässe und ein steigendes Risiko von Fehlmedikationen.

 

Warnung vor »Dumpingmethoden«

 

Wolfram-Arnim Candidus, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGVP), warnte am vorigen Donnerstag in Berlin vor den Folgen von »Dumpingmethoden« im Gesundheitswesen. »Wir sind für Wettbewerb, aber er darf nicht nur auf den Preis ausgerichtet sein«, sagte Candidus. Er berief sich auf wissenschaftliche Untersuchungen, denen zufolge 25 Prozent der Patienten Medikamente nicht nach den Empfehlungen von Arzt und Apotheker einnehmen. Durch die Rabattverträge steige die Zahl der Fehlmedikationen, weil Patienten nicht mehr die gewohnten Arzneimittel erhalten. Die Verordnung rabattierter Arzneimittel verursache ein »Medikamentenhopping«, das sich fatal auf die Therapietreue auswirke. Davon seien insbesondere chronisch Kranke und Menschen mit mehreren Erkrankungen betroffen, weil sie viele Medikamente einnehmen müssen.

 

Der Wechsel vom gewohnten zu einem neuen, billigeren Medikament verunsichert die Patienten und führt dazu, dass Medikamente nicht wie vorgesehen oder gar nicht eingenommen werden. Nach Candidus' Erfahrung tragen manche Patienten unterschiedlich aussehende Packungen mit Arzneimitteln desselben Wirkstoffs mit sich und nehmen sie häufig sogar parallel ein.

 

Dass die Rabattverträge therapeutische Probleme nach sich ziehen, ergab auch eine Umfrage des Friedrichsdorfer Pharmaunternehmens Axicorp, für die Mitte Juli hundert Apotheker befragt wurden. Jeder dritte Apotheker berichtete über solche Schwierigkeiten. Patienten nehmen die für sie neuen Arzneimittel nicht mehr regelmäßig oder überhaupt nicht mehr ein. Auch die Versorgungssituation hat sich verschlechtert. Die Umfrage ergab, dass nur 15 Prozent der Apotheken die verordneten Arzneimittel vorrätig hatten. Vor den Rabattverträgen waren es 59 Prozent. Die Patienten müssen Wartezeiten in Kauf nehmen und ein zweites Mal in die Apotheke kommen, die Apotheker investieren viel Zeit, um die Hintergründe für die Verzögerung zu erklären.

 

Lieferschwierigkeiten sind weiterhin Alltag, anders als von Krankenkassen und Generikaherstellern dargestellt. In der Umfrage gaben zwei Drittel der Apotheker an, Rabattarzneimittel seien häufig nicht lieferbar.

 

Dr. Manfred Zipperer forderte im Namen der DGVP, beim Abschluss von Rabattverträgen nicht ausschließlich auf den Preis zu schauen. »Nicht ökonomische, sondern medizinische und pharmazeutische Grundsätze müssen Grundlage der Entscheidung für ein bestimmtes Medikament sein«, sagte Zipperer. Er leitete von 1991 bis 1998 die Abteilung für gesetzliche Krankenversicherung und Gesundheitsversorgung im Bundesministerium für Gesundheit und ist jetzt Aufsichtsratsvorsitzender des Zentrums für Telematik im Gesundheitswesen.

 

Kritik an Prämien für Ärzte

 

Die DGVP kritisierte die Prämien für Ärzte, die ihre Patienten auf Medikamente aus den Rabattverträgen umstellen. So hat die AOK Hessen einen Vertrag mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) abgeschlossen. Wenn ein Arzt einen Patienten vom gewohnten Arzneimittel auf ein rabattiertes aus einem der elf Rabattverträge der AOK umstellt, erhält er für das Erstgespräch zur Umstellung zehn Euro und für jedes Quartal, in dem der Patient bei dem neuen Medikament bleibt, weitere 2,50 Euro. Auf Anfrage sagte der Sprecher der AOK Hessen, Andreas Bonn, die Prämie werde von den Hausärzten gut angenommen. Ziel der »Beratungsoffensive« sei es, »die gleiche Qualität zu günstigeren Preisen« anzubieten, so Bonn. Candidus nannte solche Prämien eine »Provision für Wohlverhalten« der Ärzte, die gezielt rabattierte Medikamente verordnen. Eine solche »Billigmedizin« schränke die Entscheidungsfreiheit der Mediziner ein. Die Versicherten zahlten die Anreize mit ihren Kassenbeiträgen.

 

Zielpreise könnten Millionen sparen

 

Der Deutsche Apothekerverband (DAV) erneuerte seinen Vorschlag, Zielpreisvereinbarungen als bundesweite Alternative zu Rabattverträgen zu prüfen. »Zielpreisvereinbarungen sind laut Gesetz auf Länderebene möglich, wären patientenfreundlich und könnten die Krankenkassen finanziell entlasten«, sagte DAV-Vorsitzender Hermann S. Keller am Donnerstag der vergangenen Woche in Berlin.

 

Er verwies auf Schätzungen des Deutschen Arzneiprüfungsinstitutes (DAPI), das bundesweit bereits für sechs Leitsubstanzen ein Einsparpotenzial für die Krankenkassen von mindestens 83,1 Millionen Euro pro Jahr errechnete &#8211 bei einem Umsatz von 777,6 Millionen Euro wie im Jahr 2006.

 

In der Axicorp-Umfrage sprachen sich 79 Prozent der interviewten Apotheker dafür aus, die Rabattverträge durch Alternativen wie Zielpreisvereinbarungen zu ersetzen. 95 Prozent der Befragten fänden es gut, wenn Apotheken und Großhändler für den logistischen und organisatorischen Mehraufwand honoriert würden.

 

In Rheinland-Pfalz soll die Zielpreisvereinbarung nach Angaben der ABDA &#8211 Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände demnächst erprobt werden: Wenn es bei einer Verordnung kein rabattiertes Arzneimittel gibt oder dieses nicht verfügbar ist, kann der Apotheker ein anderes Medikament bis zur Höhe des vorher festgelegten Zielpreises auswählen. Der Praxistest umfasst die sechs Leitsubstanzen Simvastatin, Bisoprolol, Tamsulosin, Citalopram, Alendronsäure und Sumatriptan.

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