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Benzodiazepin-Entzug

Verschiedene Wege zum Erfolg

Datum 09.08.2017  09:45 Uhr

Von Daniela Hüttemann / Wie erfolgreich sind Maßnahmen, um von Benzodiazepinen und Z-Substanzen loszukommen? Diese Frage haben australische Wissenschaftler in einer Übersichtsarbeit untersucht. Sie halten einen Entzug auch bei Älteren für machbar, geben aber keine klare Empfehlung für eine bestimmte Strategie.

Allein in Deutschland sind schätzungsweise mindestens 1,2 Millionen Menschen abhängig von Schlafmitteln. Insbesondere bei älteren Menschen wird ein langfristiger Einsatz von Benzodi­azepinen und Benzodiazepin-Rezeptor­agonisten (Z-Substanzen wie Zopiclon und Zolpidem) kritisch gesehen. 

So wird eine Dauereinnahme dieser Sedativa unter anderem mit einem erhöhten ­Risiko für Stürze und Frakturen sowie kognitiven Abbau in Verbindung gebracht. Das gesteigerte Risiko für diese und andere unerwünschte Wirkungen hängt mit einer veränderten Pharmakokinetik und -dynamik, Multimorbidität und Polymedikation im Alter zusammen, schreiben Dr. Emily Reeve und Kollegen von der Universität Sydney in der Online-Ausgabe des »European Journal of Pharmacology« (DOI: 10.1007/s00228-017-2257-8).

 

Die Forscher fanden bei einer Datenbankrecherche sieben Studien, die Inter­ventionen zur Reduktion des ­Gebrauchs von Benzodiazepinen und Z-Substanzen untersucht hatten. In einer Studie mit Cross-over-Design wurden die Sedativa für jeweils zwei Monate durch 5 mg Mela­tonin oder Placebo ersetzt. Unter Melatonin-Einnahme kamen 9 von 14 Teilnehmern (64,3 Prozent) dauerhaft von den Benzo­diazepinen los, unter ­Placebo schaffte das nur einer. Zudem minderten sich unter Melatonin Depressionen und Angstgefühle der Studienteilnehmer (DOI: 10.1007/BF03324897).

 

Schrittweise Dosisreduktion

Apotheker helfen beim Entzug

Dass ein schrittweiser Benzodiazepin-Entzug auch mithilfe von Apothekern möglich ist, hat 2013 ein Modell­projekt der ABDA gezeigt. In 46 Apotheken konnten 102 Patienten und deren Ärzte zur Teilnahme gewonnen werden. Von den Patienten, die Benzodiazepine oder Z-Substanzen zuvor im Mittel seit etwa zehn Jahren in niedriger Dosis eingenommen hatten, schaffte es fast die Hälfte, ihr Schlafmittel komplett ­abzusetzen. 27 Prozent konnten die Dosis reduzieren.

Eine hausarztgestützte Reduktion war in einer anderen Studie bei 25 von 38 Pflegeheimbewohnern (65 Prozent) ähnlich erfolgreich. Dabei wurden die Hausärzte aufgefordert, die Schlaf­medikation ihrer Patienten in Pflegeeinrichtungen schrittweise herabzudosieren. Weitere sieben Probanden kamen zwar nicht ganz von den Schlafmitteln los, konnten die Dosis aber dauerhaft reduzieren (DOI: 10.1007/s00228-014-1725-7).

 

In einer anderen Studie erhielten 49 Probanden statt ihres regulären Schlafmittels für eine Woche entweder 1 mg des mittellang wirksamen Benzodiazepins Lormetazepam oder 50 mg des sedierenden Serotonin-Wiederaufnahmehemmers Trazodon, bevor ein kompletter Entzug versucht wurde. ­Zusätzlich wurden die Teilnehmer psychologisch betreut. Das funktionierte bei 80 Prozent in der Trazodon-Gruppe und 75 Prozent in der Lormetazepam-Gruppe (DOI: 10.1002/(SICI)1099-1166 (199909)14:9754::AID-GPS15>3.0.CO;2-E). Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine Studie, in der 40 Teilnehmer vor dem Benzodiazepin-Entzug eine Woche lang entweder 1 mg Lormetazepam oder Placebo bekamen. Die Erfolgsquote lag bei 80 beziehungsweise 50 Prozent nach einem Monat. Von diesen Teilnehmern konnte knapp die Hälfte auch ein Jahr später noch auf Schlafmittel verzichten (DOI: 10.1007/s00228-001-0387-4).

Rat vom Apotheker

 

Zwei Studien untersuchten den Effekt einer Patientenschulung in Kombina­tion mit einer ausschleichenden Dosierung. Im einen Fall führte die Betonung der negativen Effekte einer langfristigen Einnahme von Hypnotika in einer einmaligen einstündigen Schulung bei 27 bis 36 Prozent der geschulten Patienten zu einem Absetzen (DOI: 10.1093/ageing/afp255). 27 Prozent der Teilnehmer, die in der anderen Studie eine ­Informationsbroschüre erhielten, schafften den Absprung von den Schlafmitteln innerhalb von sechs ­Monaten (gegenüber 5 Prozent in der Kontrollgruppe). Mehr als 60 Prozent der Broschüren-Leser suchten das ­Gespräch zu ihrem Hausarzt oder Apotheker, um sich Hilfe beim Absetzen der Schlafmittel zu holen, mehr als 40 Prozent folgten dem Dosisreduktionsschema der Broschüre, so das Ergebnis der kanadischen EMPOWER-Studie (DOI: 10.1001/jamainternmed.2014.949). Seit 2014 untersuchen dieselben Forscher nun in der D-PRESCRIBE-Studie, wie sich eine apothekergeführte Intervention gemeinsam mit Patienten und Ärzten auf den Schlafmittelkonsum auswirkt. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor.

 

Der Ansatz einer weiteren Studie war eine Dosisreduktion gepaart mit einer psychologischen Betreuung bei 104 älteren Patienten. Die Erfolgsrate nach sechs Monaten lag bei 80 Prozent. Die Lebensqualität und die sozialen Fähigkeiten verbesserten sich, die Schlafqualität war allerdings nicht besser als in der Vergleichsgruppe, die weiterhin Benzodiazepine einnahm. Auch fanden sich keine Vorteile bei den kognitiven und psychomotorischen Funk­tionen (DOI: 10.1017/S0033291703008213).

 

Nach derzeitiger Evidenzlage sei ein Benzodiazepin-Entzug bei älteren Patienten machbar, folgern die Autoren des Reviews. Die Erfolgsrate sei von der Art der Intervention abhängig. Die Vorteile und die Nachhaltigkeit solcher Maßnahmen seien jedoch unklar, ­sodass hier weitere Forschung erforderlich sei.

 

Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in seinem Patienteninformationsportal www.gesundheits information.de. In dem vor Kurzem aktualisierten Artikel heißt es: »Es ließ sich bislang nicht zeigen, dass man leichter von Benzodiazepinen loskommt, wenn man während der Dosisreduzierung ein Ersatzmedikament einnimmt.« Ein abruptes Absetzen sei ungünstiger als die schrittweise Dosisreduktion, da es Entzugssymptome verstärkt und die Rückfallgefahr erhöht. Derzeit gebe es keine aussagekräftigen Untersuchungen zur optimalen Dauer eines ambulanten Entzugs. »Fachleute empfehlen einen Zeitraum von zwei bis vier Monaten«, schreibt das IQWiG. /

 

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