Pharmazeutische Zeitung online
Interaktionen

Häufige Probleme bei älteren Patienten

31.07.2012  14:39 Uhr

Von Maria Pues, Frankfurt am Main / Listen ersetzen nicht den pharmakologischen Sachverstand. Mit diesem Statement leitete Professor Dr. Gerd Geisslinger seinen Vortrag bei einer Fortbildungsveranstaltung der Landesapothekerkammer Hessen in Frankfurt am Main mit Blick auf die PRISCUS- und andere Listen ein. An einem Fallbeispiel stellte er dies unter Beweis.

In Listen wie der PRISCUS-Liste (www.priscus.net) sind potenziell inadäquate Medikationen für ältere Menschen verzeichnet. Geisslinger betonte, dass die dort genannten Probleme nicht alleine ältere Menschen betreffen. Auch Jüngere könnten zum Beispiel eine schlechte Nierenfunktion haben. Auch dürfe man den Listen nicht blind vertrauen. So warne die Liste aus seiner Sicht fälschlicherweise vor der Anwendung von Coxiben bei älteren Menschen und empfehle stattdessen Ibuprofen. Pharmakotherapie beim älteren Patienten müsse vielmehr sehr individuell und nicht einfach nach der Zahl der Lebensjahre erfolgen, betonte der Referent.

Geisslinger illustrierte seine Aussage am Beispiel einer 79-jährigen Patientin, die unter anderem an koronarer Herzkrankheit und Bluthochdruck litt und nach einem Infarkt einen beschichteten Stent bekommen hatte. Daneben klagte sie über Rückenschmerzen und Angst. Um den Stent offen zu halten, wurden ihr Clopidogrel und Acetylsalicylsäure in Kombination verordnet, nach dem Koronarsyndrom erhielt sie leitliniengerecht Simvastatin und Verapamil. Gegen ihre Angst wurden ihr Citalopram und Alprazolam, gegen die Schmerzen Diclofenac verordnet. Von allen verordneten Arzneimitteln finde man nur eines auf der PRISCUS-Liste – Alprazolam, sagte Geisslinger. Also alles bestens? Mitnichten. Zwei Wochen, nachdem sie aus der Klinik entlassen worden war, klagte die Patientin über Muskelschmerzen, nächtliche Synkopen und ausgeprägte Tagesmüdigkeit. Die ärztlichen Untersuchungen stellten gastrointestinale Blutungen und Rhabdomyolysen fest.

 

Erhöhte Blutungsneigung

 

Die erhöhte Blutungsneigung ist bei dieser Patientin nicht allein Folge der gerinnungshemmenden Medikamente, sondern auch durch den gleichzeitigen Einsatz des selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) Citalo­pram bedingt. Dieser vermindert neben der erwünschten antidepressiven Wirkung auch die Aufnahme von Serotonin in die Thrombozyten, die dieses für ihre Aggregationsfähigkeit benötigen. In der Folge nimmt die durch Clopidogrel und ASS ohnehin verminderte Plättchen­aggregation weiter ab, und die Blutungsneigung steigt.

 

Glücklicherweise hat die beschriebene Patientin kein Tramadol bekommen. Denn Patienten, die zusätzlich zum SSRI als Schmerzmittel Tramadol erhalten, laufen Gefahr, ein – seltenes, bei älteren Patienten jedoch häufigeres und potenziell lebensbedrohendes – Serotoninsyndrom zu erleiden. Tramadol liegt in Form seines Racemats vor, dessen (+)-Enantiomer zusätzlich zur Wirkung über Opiatrezeptoren in gewissem Ausmaß die Wiederaufnahme des Serotonins aus dem synaptischen Spalt hemmt und so dessen Wirkung verstärkt. Beim Serotoninsyndrom kann es neben autonomen vegetativen Symptomen (wie Puls- und Blutdruckanstieg, Übelkeit, Schwitzen, Durchfall) und zentralnervösen Symptomen (wie Unruhe, Halluzinationen, Koordinationsstörungen) zu neuromuskulären Symptomen (zum Beispiel Krämpfe, Tremor, gesteigerte Reflexe) kommen.

 

Wechselwirkungen kommen beim älteren Patienten besonders infolge veränderter Phase-I-Reaktionen zustande. Dies sind vor allem Reaktionen, an denen Isoenzyme des Cytochrom-P-450-Systems beteiligt sind. Phase-II-Reaktionen wie Sulfatierungen, Glucuronidierungen oder Acylierungen verlaufen auch im Alter meist unverändert ab. Allerdings kann durch eine verminderte Nierenfunktion die Ausscheidung mancher Konjugate herabgesetzt sein. Dies ist zum Beispiel bei Morphinglucuronid der Fall. Hier ist daher – anders als beim Buprenorphin – eine Dosisanpassung erforderlich, um eine Überdosierung durch Akkumulation zu ver- meiden.

 

13-fache Bioverfügbarkeit

 

Ein besonderes Augenmerk sollte man auf diejenigen Arzneistoffe haben, die über dieselben Isoenzyme verstoffwechselt werden beziehungsweise diese hemmen oder induzieren, wie dies bei der Kombination von Simvastatin und Verapamil der Fall ist. Eine Auflistung solcher Wirkstoffe fin­det sich beispielsweise auf http://www.medicine.iupui.edu/clinpharm/ddis/table.aspx. Simvastatin unterliegt einem hohen First-Pass-Effekt; seine orale Bioverfügbarkeit beträgt bei durchschnittlicher Enzymaktivität rund 5 Prozent. Verapamil wirkt als starker Inhibitor des abbauenden Enzyms. Bei gleichzeitiger Anwendung kann die orale Bioverfügbarkeit von Simvastatin auf 70 Prozent ansteigen, also auf das 13-Fache. Dies erklärt die Rhabdomolyse der obengenannten Patientin. Anders bei Pravastatin, verglich Geisslinger. Dessen »normale« orale Bioverfügbarkeit beträgt etwa 18 Prozent. Durch Hemmung des First-Pass-Effektes steige sie »nur« auf etwa 30 Prozent.  /

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa