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Suchtbericht

Mehr Rauschtrinker, weniger Raucher

09.07.2014  10:14 Uhr

Von Anna Hohle und Ev Tebroke, Berlin / Junge Deutsche rauchen weniger als noch vor einigen Jahren. Auch trinken sie seltener Alkohol – aber wenn, dann häufig bis zum Rausch. Darauf wies die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), bei der Vorstellung des Drogen- und Suchtberichts 2014 am Montag in Berlin hin.

Der Tabakkonsum bei Jugendlichen sei seit 2001 um 12 Prozent zurückgegangen, erklärte Mortler. Beim regelmäßigen Alkoholkonsum seien es 4 Prozent. Trotzdem habe sich die Zahl der Unter-20-Jährigen, die aufgrund sogenannten Rauschtrinkens ins Krankenhaus eingewiesen werden müssen, seit dem Jahr 2000 verdreifacht, gab Mortler zu bedenken.

 

Kein Werbeverbot

 

Auch junge Erwachsene bis 29 Jahre tränken häufiger bis zum Rausch, so die Drogenbeauftragte. 36 Prozent der Frauen und 54 Prozent der Männer in dieser Altersklasse seien betroffen. Die Bundesregierung werde das Thema deshalb verstärkt angehen und weiter auf Prävention setzen, so Mortler. Auch will die Politikerin das Thema Sucht­prä­ven­tion im geplanten Präventionsgesetz verankern. Ein Werbeverbot für Alkohol strebe sie jedoch nicht an, sagte Mortler.

 

Sorgen macht der Drogenbeauftragten auch die steigende Zahl der glücks­spiel­süchtigen jungen Männer. Dem Suchtbericht zufolge spielten im vergangenen Jahr mit 23,5 Prozent viermal so viele 18- bis 20-jährige Männer an Geldspielautomaten als noch 2007 (5,8 Prozent). Auch gelten inzwischen 250 000 junge Deutsche als internetabhängig, weitere 1,4 Millionen als gefährdet durch problematischen Internetgebrauch. Diesem Thema werde sie sich genau wie der Aufklärung zu elektronischen Zigaretten und Wasserpfeifen verstärkt widmen, versprach Mortler. Daneben wolle sie die Verbreitung von kristallinem Methamphetamin (Crystal Meth) weiter beobachten und Präventionsangebote ausweiten.

 

Auch die Abhängigkeit von Medikamenten ist hierzulande weiter ein großes Problem. Der aktuelle Suchtbericht verweist hier auf den Epidemiologischen Suchtsurvey (ESA) aus dem Jahr 2012. Demnach sind in Deutschland rund 2,3 Millionen Menschen zwischen 18 und 64 Jahren abhängig von Schmerz-, Schlaf- oder Beruhigungsmitteln. Größer ist nur die Zahl der Alkoholsüchtigen: Bei 3,3 Millionen Bundesbürgern liegt dem Suchtbericht zufolge derzeit ein Alkoholmissbrauch oder eine Alkoholabhängigkeit vor. Ganze 9,5 Millionen Menschen konsumieren Alkohol zumindest in gesundheitlich riskanter Form.

 

Mehr Drogentote

 

Erfreulich dagegen die Entwicklung beim Tabakkonsum: Die Zahl der rauchenden Deutschen ist laut Suchtbericht erneut leicht gesunken, auf derzeit rund 14,7 Millionen Bundesbürger. Dennoch sterben in Deutschland immer noch jedes Jahr rund 110 000 Menschen infolge des Tabakrauchens. Auch die Anzahl der Drogentoten ist laut Suchtbericht im vergangenen Jahr nach jahrelangem Rückgang erstmals wieder gestiegen und lag 2013 bei 1002 Verstorbenen. Kritik an der Suchtpolitik der Bundesregierung wies die Drogenbeauftragte zurück. Die Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik aus dem Jahr 2012 habe sich bewährt und man werde weiter auf sie setzen, sagte Mortler.

 

Kritiker mit eigenem Bericht

Nur eine Woche zuvor hatte jedoch ein Zusam­men­schluss aus Nichtregierungs­organisationen und Wissenschaftlern genau diese langjährige Strategie der Bundesregierung angezwei­felt und in einem sogenannten Alternativen Sucht- und Drogenbericht ein Umdenken in der Suchtpolitik gefordert.

 

Repression und Strafverfolgung seien als drogen­politische Maßnahmen ungeeignet und schädlich, heißt es in dem Bericht. Auch müssten viele in der Praxis erfolgreich erprobte Strategien zu Prävention und dem Umgang mit Drogenkon­sumenten endlich politisch umgesetzt werden.

 

Der offizielle Drogenbericht lasse wesentliche Fragen unbeantwortet, so die Kritik. So gehe er zwar detailliert auf aktuelle Entwicklungen ein, aber es fehle eine wissenschaftlich fundierte Gesamtstrategie mit klar definierten Zielen. Diese benennt der alternative Bericht hingegen genau.

 

Ein Kritikpunkt ist die Strafverfolgung im Zusammenhang mit Cannabis-Konsum. »Rund 70 Prozent der Gelder im Bereich der Drogenpolitik fließen mittlerweile in Repressions­maßnahmen in diesem Bereich«, kritisierte Maximilian Plenert vom Bundesverband akzept. Wissenschaftliche Untersuchungen belegten aber längst, dass Repression eher schade als präventiv wirke. Die Gelder sollten daher besser in Prävention investiert werden, so die Forderung.

 

Auch bei der Umsetzung von bereits im Modellversuch erfolgreich erprobten Maßnahmen hapere es, etwa bei der Einrichtung von Drogenkonsumräumen für Heroinabhängige, betonte die Geschäftsführerin der Deutschen Aids-Hilfe, Silke Klumb. Diese Einrichtungen hätten eindeutig dazu geführt, die Zahl der Drogentoten zu verringern. Trotz der erfolgreichen Bilanz mauerten die Länder jedoch bei der Umsetzung.

 

Insgesamt werde die Schere zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und den staatlichen Schritten in der Drogenpolitik immer größer, kritisierte Bernd Werse, Wissenschaftler am Centre of Drug Research an der Frankfurter Goethe Universität. Der Bericht soll deshalb künftig regelmäßig jedes Jahr erscheinen. Die Autoren des diesjährigen Alternativberichts stellten ihre Expertise unentgeltlich zur Verfügung. Einige von ihnen waren auch am offiziellen Drogenbericht der Bundesregierung beteiligt. /

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