Neuer Antikörper gegen Hautkrebs |
30.06.2015 15:55 Uhr |
Von Brigitte M. Gensthaler, München / Seit wenigen Tagen ist der erste PD-1-Inhibitor in Europa verfügbar. PD-1 steht für Programmed Death 1 und ist ein Rezeptorprotein, das nach Aktivierung die durch T-Zellen vermittelte, gegen den Krebs gerichtete Immunantwort hemmt. Nivolumab blockiert den Rezeptor und aktiviert somit das Immunsystem gegen die Melanom-Zellen.
Nivolumab ist zugelassen zur Monotherapie des fortgeschrittenen, nicht-resezierbaren oder metastasierten Melanoms bei Erwachsenen – auch in der Erstlinientherapie. Der humane monoklonale Immunglobulin-G4-(IgG4)Antikörper richtet sich gegen den PD-1-Rezeptor auf aktivierten T-Zellen.
Je nach Art und Zahl der Pigmentflecken sollten Hautkrebsvorsorgen ein- bis zweimal pro Jahr durchgeführt werden.
Foto: imago/Arco Images
»Die Blockade dieses Checkpoint-Rezeptors führt zu einer gesteigerten T-Zell-Aktivität gegen die Tumorzellen«, erläuterte Professor Dr. Dirk Schadendorf, Universitätsklinikum Essen, bei der Launch-Pressekonferenz von Opvido® (Bristol-Myers Squibb) in München. Der Antikörper richtet sich also nicht direkt gegen den Tumor, sondern aktiviert die körpereigene Immunantwort.
Physiologischerweise ist der PD-1-Rezeptor ein wichtiger negativer Regulator der T-Zell-Aktivität (»Checkpoint«). Seine Liganden PD-L1 und -L2 werden von Antigen-präsentierenden Zellen, Tumoren oder anderen Zellen aus dem Mikromilieu des Tumors exprimiert. Die Rezeptor-Liganden-Bindung hemmt die T-Zell-Proliferation und die Zytokinausschüttung und somit die Immunantwort. Über diesen Mechanismus halten sich Tumorzellen aktivierte T-Zellen vom Leib.
PD-1-Inhibitoren hemmen diesen Regulationsweg und steigern so die antitumorale Immunantwort, vor allem in der direkten Mikroumgebung des Tumors. Zu dieser Wirkstoffgruppe gehört neben Nivolumab zum Beispiel auch Pembrolizumab, das aber noch keine Zulassung in Europa hat. Der seit 2011 verfügbare Antikörper Ipilimumab wirkt ebenfalls als Immuntherapeutikum und potenziert die T-Zellreaktion, richtet sich aber gegen das Checkpoint-Molekül CTLA-4.
Erfolgreich in erster und zweiter Linie
Nivolumab wird als intravenöse Infusion über 60 Minuten in einer Dosierung von 3 mg/kg Körpergewicht alle 14 Tage verabreicht. Diese Dosis wurde in der zulassungsrelevanten, doppelblinden Phase-III-Studie CheckMate-066 eingesetzt, berichtete Schadendorf.
418 Patienten mit fortgeschrittenem, aber noch unbehandeltem Melanom erhielten randomisiert entweder Nivolumab oder Dacarbazin. Die Ein-Jahres-Überlebensrate betrug 73 Prozent unter Nivolumab im Vergleich zu 42 Prozent mit dem Chemotherapeutikum. Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) war mit 5,1 Monaten signifikant höher als im Vergleichsarm (2,2 Monate). »Aufgrund des deutlichen Überlebensvorteils wurde die Studie im Juni 2014 vorzeitig abgebrochen«, berichtete der Onkologe. Insgesamt hätten etwa 40 Prozent der Patienten komplett oder teilweise auf die Therapie angesprochen. Nach jetzigen Daten halte dies »mindestens zwei Jahre« an.
Nebenwirkungen traten bei drei Viertel der Patienten in beiden Armen auf, waren unter Nivolumab jedoch meist leicht bis mäßig. Sehr häufig waren Müdigkeit (Fatigue), Hautausschlag und Juckreiz, Übelkeit und Durchfall.
Auch in der Zweitlinientherapie war der neue Antikörper bei fortgeschrittenem Melanom erfolgreich. In einer offenen Phase-III-Studie erhielten 405 mit Ipilimumab vorbehandelte Patienten entweder Nivolumab oder eine Chemotherapie (Dacarbazin oder Carboplatin plus Paclitaxel). Fast jeder dritte Patient sprach auf den Antikörper an, aber nur rund jeder zehnte auf die Chemotherapie.
Im direkten Vergleich seien Nivolumab und Pembrolizumab dem Ipilimumab deutlich überlegen, so Schadendorf. »Die PD-1-Inhibitoren setzen den neuen Standard in der Therapie des fortgeschrittenen Melanoms.«
Gute Daten auch bei Lungenkrebspatienten
Da Nivolumab nicht spezifisch auf einen Tumortyp, sondern auf die T-Zell-Antwort wirkt, sprechen verschiedene Tumoren, zum Beispiel von Niere, Blase, Dickdarm und Lunge an. Professor Dr. Wolfgang Herr vom Universitätsklinikum Regensburg stellte eine Phase-III-Studie mit mehr als 270 vorbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem, nicht-kleinzelligem Plattenepithelkarzinom der Lunge vor. Nach einem Jahr lag die Gesamtüberlebensrate unter Nivolumab bei 42 Prozent versus 24 Prozent unter Docetaxel. Unter der Immuntherapie seien deutlich weniger schwere Nebenwirkungen aufgetreten.
Seit Frühjahr 2015 ist Nivolumab in den USA auch für Patienten mit diesem Lungenkrebstyp zugelassen. Die Zulassung bei der europäischen Arzneimittelagentur EMA sei eingereicht; es gebe bereits einen positiven Vorbescheid des CHMP. /