Klinikapotheker fürchten Engpässe |
26.06.2012 18:23 Uhr |
Von Stephanie Schersch / Die Krankenhausapotheker schlagen Alarm. In deutschen Kliniken fehlen ihrer Ansicht nach immer häufiger Medikamente, weil die Hersteller nicht rechtzeitig liefern können. Das Bundesministerium für Gesundheit will das Problem so nicht bestätigen.
Für Dr. Thorsten Hoppe-Tichy hat das Problem besorgniserregende Ausmaße angenommen. Die Zahl der Lieferengpässe bei Arzneimitteln sei in den vergangenen zwei bis drei Jahren deutlich gestiegen, sagte der Präsident des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) der Pharmazeutischen Zeitung. Hoppe-Tichy leitet die Krankenhausapotheke am Universitätsklinikum in Heidelberg. Dort versucht man Lieferprobleme zu überbrücken, indem man zum Beispiel auf ein anderes Arzneimittel ausweicht. Doch das falle zunehmend schwer, sagte Hoppe-Tichy. »Wenn ich heute durch das Lager gehe, hängt an fast jedem Regal ein Zettel, der auf Lieferschwierigkeiten hinweist.«
Das Problem ziehe sich durch alle Arzneimittelgruppen. Bei Zytostatika etwa sei die Nicht-Lieferfähigkeit eines Herstellers natürlich ein besonders gravierendes Problem. Bei Antibiotika müssten Kliniken zum Teil abwägen, welcher Patient das Arzneimittel dringender benötigt und bei wem man unter Umständen darauf verzichten kann.
Mit ähnlichen Worten war Hoppe-Tichy vor Kurzem in der »Berliner Zeitung« zitiert worden. Auch andere Medien hatten das Thema aufgegriffen und teilweise von »prekären Zuständen« in deutschen Krankenhäusern berichtet. Der Bundesverband klinik- und heimversorgender Apotheker (BVKA) hält diese Darstellung für überzogen. BVKA-Geschäftsführer Dr. Rötger von Dellingshausen sieht keinen gesteigerten Anlass zur Sorge. Zwar komme es immer mal wieder zu Lieferengpässen, sagte er. »Von aktuell wachsenden Schwierigkeiten können wir aber nicht sprechen.«
Problem Marktkonzentration
Engpässe bei der Lieferung einzelner Arzneimittel sind auch in öffentlichen Apotheken keine Seltenheit. Als ein Grund gilt die wachsende Marktkonzentration. Einige Arzneimittel werden weltweit nur noch von einem einzigen Hersteller produziert. Kommt es hier zu Problemen, hat das deutliche Konsequenzen. Hinzu kommt, dass ein Großteil der Produktion außerhalb von Europa erfolgt, etwa in Asien. Die Lieferwege sind lang, auf eine steigende Nachfrage kann daher nicht flexibel reagiert werden.
Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit hat es in Deutschland bislang keine größeren Versorgungsprobleme mit Arzneimitteln gegeben. »Den wenigen Fällen, die aufgetreten sind, lagen meist Produktions-, Qualitäts- oder Beschaffungsprobleme zugrunde«, sagte ein Sprecher des Ministeriums. So habe es vereinzelt Lieferprobleme bei Impfstoffen gegeben, weil für diese besondere Anforderungen gelten. »Das Bundesministerium für Gesundheit und die zuständigen Bundes- und Landesbehörden beobachten die Versorgungssituation aufmerksam.« In Deutschland seien Hersteller und Großhändler zudem gesetzlich verpflichtet, für eine kontinuierliche Bereitstellung der Arzneimittel zu sorgen.
BfArM sieht keine Engpässe
Auch beim Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte sagte ein Sprecher: »Wir können nicht bestätigen, dass es ernstzunehmende Lieferengpässe gibt, die die Versorgung der Patienten bedrohen.« Eine verlässliche Übersicht über Arzneimittel-Lieferprobleme in Deutschland gibt es allerdings nicht. Denn die Hersteller sind nicht verpflichtet, Engpässe zu melden.
Hoppe-Tichy hofft, dass die Politik die Bedeutung des Themas Lieferschwierigkeiten erkennt und entsprechend handelt. Erste Anzeichen dafür gibt es. In dieser Woche stand das Thema bei einer nicht-öffentlichen Sitzung im Gesundheitsausschuss des Bundestages auf dem Programm. Aber auch die pharmazeutische Industrie sei in der Pflicht, sagte Hoppe-Tichy. Sie könne Lagerkapazitäten ausbauen und damit helfen, Engpässe zu vermeiden. »Man muss die Industrie daran erinnern, dass sie eine ethische Verantwortung hat.« /