Bisphosphonate bei Knochenmetastasen |
16.06.2009 15:13 Uhr |
<typohead type="3">Arzneistoff-Vergleich: Bisphosphonate bei Knochenmetastasen
In der Tumortherapie sind mit Clodronat, Pamidronat, Ibandronat und Zoledronat vier Bisphosphonate zugelassen. Sie unterscheiden sich in ihrem Wirkmechanismus und folglich auch in ihren Indikationsgebieten.
Neben der Osteoporose ist auch die Tumortherapie ein Einsatzgebiet der Bisphosphonate, sagte Professor Dr. Walter Schunack, Berlin. Sie werden dort zur Behandlung von Patienten mit Knochemetastasen eingesetzt. Ausgangspunkt der Metastasen sind zirkulierende Tumorzellen, die sich in Nischen des Knochenmarks-Sinussystems ansiedeln, die wegen des Reichtums an Wachstumsfaktoren und Zytokinen einen idealen Ort darstellen. Einzelne Zellen werden dort aktiviert, durchbrechen die Gefäßwände und verteilen sich im Knochen. Im Knocheninnern binden sie an die feinen Trabekel und bilden dort Mikrometastasen, die wachsen, Gefäße und Stroma ausbilden und nach und nach den Knochen zerstören. Dabei greifen nicht die Tumorzellen selbst den Knochen an, sondern aktivieren über verschiedene Mediatoren Osteoblasten und Osteoklasten. Dadurch bringen sie das empfindliche Gleichgewicht zwischen diesen Knochen aufbauenden und abbauenden Kräften durcheinander.
Von Knochenmetastasen können zwei verschiedene Formen unterschieden werden. Bei den osteolytischen Metastasen schütten die Tumorzellen das Parathormon-ähnliche Peptid (PTHrP) aus, das die Knochen abbauenden Osteoklasten aktiviert. Die Knochenstruktur wird in der Folge zerstört, und Calcium in großen Mengen freigesetzt (Hypercalcämie). Beim Knochenabbau werden aber auch Wachstumsfaktoren und Zytokine freigesetzt, die wiederum das Tumorwachstum verstärken. »Ein Teufelskreis entsteht«, sagte Schunack.
Anders als bei den osteolytischen bilden bei den osteoblastischen Knochenmetastasen die Tumorzellen Faktoren, die die Aktivität der Osteoblasten steigert. Dadurch kommt es zu einem verstärkten Aufbau von neuer, aber minderwertiger Knochensubstanz.
Je nach Art des Primärtumors entstehen unterschiedliche Knochenmetastasen. Während beim Multiplen Myelom und beim Mammakarzinom hauptsächlich osteolytische Metastasen auftreten, sind es beim Prostatakarzinom vor allem osteoblastische Metastasen, berichtete Schunack. Als Folge der Metastasen kommt es häufig zu skelettbezogenen Komplikationen wie Knochenschmerzen, Brüchen, Kompressionen der Wirbelkörper mit der Gefahr der Rückenmarksverletzung und neurologischen Ausfällen, die wiederum Operationen nach sich ziehen.
In der Tumortherapie werden Bisphosphonate eingesetzt, um tumorindizierte Hypercalcämien zu behandeln und die skelettbezogenen Komplikationen zu verhindern oder zu therapieren. Vier Wirkstoffe sind hierfür zugelassen: Das stickstofffreie Clodronat sowie die Aminobisphosphonate Pamidronat, Ibandronat und Zoledronat. Die Substanzen können entweder peroral oder per infusionem appliziert werden, wobei die perorale Gabe eine stark untergeordnete Rolle spiele.
Bei osteolytischen Metastasen sind alle vier Substanzen wirksam. Sie hemmen die Reifung und Differenzierung der Osteoklasten und induzieren in diesen die Apoptose. Bei osteoblastischen Metastasen ist dagegen nur Zoledronat wirksam und hemmt den gesteigerten Umbau der Knochen durch Osteoblasten. Für Ibandronat liegen keine Daten vor, sagte der Referent. Pamidronat und Clodronat sind nachweislich nicht wirksam.
Je nach Wirkmechanismus und -potenz sind die vier Bisphosphonate für verschiedene Indikationen zugelassen. Zur Behandlung der tumorindizierten Hypercalcämien können alle vier Wirkstoffe eingesetzt werden. Zur Prävention von Skelettkomplikationen bei Mammakarzinom sind Zoledronat, Pamidronat und Ibandronat, bei Multiplem Myelom Zoledronat und Pamidronat zugelassen. Bei allen anderen Tumorerkrankungen ist Zoledronat die einzige Option zur Prävention der Komplikationen.
Zu den unerwünschten Arzneimittelwirkungen zählen grippeähnliche Symptome, die vor allem zu Beginn der Behandlung auftreten können. Die Knochen-, Muskel- und Gelenkschmerzen und das Fieber lassen in der Regel rasch nach, sie können aber auch mit NSAR behandelt werden. Gravierender seien dagegen die renalen Nebenwirkungen wie Schädigungen des Nierenparenchyms, die aber selten auftreten. Um diese zu vermeiden, sollte vor jeder Infusion der Serum-Creatinin-Wert bestimmt werden. Bei peroraler Applikation ist diese renale Nebenwirkung nicht zu beobachten. Dagegen treten gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen oder Ösophagitis nur bei peroraler Applikation auf.
Besondere Schlagzeilen hat eine Nebenwirkung der Bisphosphonate am Kiefer gemacht: die Kiefernekrose. Sie ist selten, aber schwerwiegend. Unter einer Kiefernekrose wird eine mehr als acht Wochen andauernde Läsion des Kieferknochens bezeichnet. Der Knochen wird aufgeweicht und zerstört. Risikofaktoren sind ein hohes Lebensalter, maligne Erkrankungen, Chemo- und Strahlentherapie, Eingriffe am Kiefer und schlechte Mundhygiene. Die Komplikation tritt fast ausschließlich bei hoch dosierter intravenöser Applikation von Aminobisphosphonaten auf, wobei die meisten Fälle auf Zoledronat zurückgehen. Bei einer oralen Applikation ist das Risiko gering.