Besonders zart, besonders empfindlich |
16.06.2009 14:46 Uhr |
<typohead type="3">Säuglingshaut: Besonders zart, besonders empfindlich
Bei Säuglingen penetrieren etliche Arzneistoffe in und durch die Haut, die bei älteren Kindern und Erwachsenen von der Hautbarriere zurückgehalten werden. Dadurch komme eine Lokaltherapie bei Babys oftmals einer Systemtherapie gleich, warnte Professor Dr. Peter H. Höger.
Eine gesunde Epidermis ist 50 bis 100 µm dick und schützt den Körper vor Verdunstung und Infektionen. Die Haut des Neugeborenen weist jedoch einige Besonderheiten auf. Es hat zwar eine etwa 50 µm starke Epidermis, aber deren Funktionen sind noch nicht ausgereift. Die Thermoregulation ist mangelhaft, da die Schweißdrüsen nicht richtig arbeiten. Zudem ist die Lipidbarriere noch nicht vollständig ausgebildet. Der transepidermale Wasserverlust (TEWL) ist daher erhöht und das Stratum corneum wenig hydratisiert. Daher sei eine leicht schuppige Haut in den ersten Wochen normal. »Die typische Babyhaut bildet sich erst im zweiten bis vierten Monat aus.« Da Epidermis und Dermis noch nicht vernetzt sind, kommt es leicht zur Blasenbildung und zu Verletzungen durch Scherkräfte.
Bei zu früh und unreif geborenen Kindern ist der TEWL lebensbedrohlich hoch, erklärte der Dermatologe. Die Epidermis ist sehr dünn und die Hornschicht fehlt: Die Frühchen sterben an der Verdunstung, wenn sie nicht in eine feuchte Kammer kommen. In Entwicklungsländern konnte man zeigen, dass die neonatale Mortalität sinkt, wenn die Hautbarriere durch Sonnenblumenkernöl oder Vaseline/Paraffin verbessert wird.
Die dermale Therapie birgt bei Säuglingen spezielle Risiken, warnte Höger, denn etliche Arzneistoffe werden transkutan resorbiert. Im Vergleich zum Erwachsenen ist das Verhältnis von Hautoberfläche zu Gewicht beim Säugling 2,5- bis 3-fach größer und die Dichte der Talgdrüsen pro Quadratzentimeter deutlich höher. Durch diese »Löcher« in der Epidermis penetrieren lipophile Stoffe bis in die Dermis hinein und gelangen von dort in den Blutstrom. Salicylate und Alkohol könnten bei transkutaner Resorption lebensgefährliche Intoxikationen auslösen, warnte der Arzt. Toxikologisch bedenklich seien auch Neomycin, Clioquinol, Benzylbenzoat, PVP-Iod, Benzo- und Prilocain. Steroide werden aus mazerierten Hautarealen wie dem Windelbereich viel stärker resorbiert. Hoch potente Steroide seien für Säuglinge generell tabu. Bufexamac biete keine Alternative, da es sehr schwere Kontaktekzeme induzieren kann. Harnstoff kann Unverträglichkeiten (»stinging effect«) auslösen und sollte im ersten und zweiten Lebensjahr nicht angewandt werden.
In puncto Sonnenschutz sollten Apotheker den Eltern dringend raten, Säuglinge und Kleinkinder nicht direkt der Sonne auszusetzen und ausreichend zu bekleiden (inklusive Kappe). Schon ein einziger Sonnenbrand im Kindesalter erhöht das Melanomrisiko. Wenn ein Sonnenschutzprodukt nötig ist, kommen nur solche mit Mikropigmenten infrage, da diese nicht resorbiert werden. Chemische Lichtschutzfiltersubstanzen seien schon im Urin nachgewiesen worden, was eine systemische Resorption anzeigt.
»Es gibt keine Hauterkrankung des Erwachsenen, die nicht auch bei Säuglingen vorkommt«, informierte Höger. Allerdings zeigen sie sich oft anders und verlaufen anders. Als Beispiel nannte er die Mastozytose, die bei Kindern zu 70 Prozent spontan zurückgeht, bei Erwachsenen aber lebensgefährlich sein kann. Hämangiome bilden sich bei Kindern oft spontan zurück und erfordern keine Therapie, wenn sie nicht in Augennähe wachsen. Es gibt aber auch typische Säuglings-Dermatosen, zum Beispiel die neonatale zephale Pustulose nach der zweiten Lebenswoche. Trotz Nachweis von Hefepilzen verschwinden die Pusteln meist von selbst wieder.
Höger ging näher auf das atopische Ekzem ein, das sich im ersten Lebensjahr typischerweise im Gesicht und an den Außenseiten der Extremitäten, nicht aber im Windelbereich bemerkbar macht. Der Spontanverlauf sei günstig: Bei 70 bis 80 Prozent der Kinder verschwindet das Ekzem bis zum 4. Lebensjahr. Prognostisch ungünstig sind ein hoher Schweregrad und eine familiäre Belastung von beiden Elternteilen. Erweist sich ein Ekzem als therapieresistent, liege die Ursache meist in der Non-Compliance der Eltern, monierte Höger. Nur ein Drittel befolge konsequent die Therapieanweisungen des Arztes. Zur weitverbreiteten Cortison-Angst komme häufig noch eine Tacrolimus- und Pimecrolimus-Angst, die bei topischer Anwendung aber unbegründet sei.
Bei schweren Ekzemen plädierte der Referent für viel Feuchtigkeit (zwei- bis dreimal täglich ein Ölbad) und fett-feuchte Verbände bei exazerbiertem Ekzem. Fettsalben haben auf akuten Hauterkrankungen nichts verloren, dagegen sei hydrophile Salbe angebracht. Bei Infektionen seien Schwarztee-Umschläge hilfreich, mitunter aber auch Antibiotika nötig, zum Beispiel Cephalosporine der ersten Generation. Bei den Glucocorticoiden müsse man sorgfältig auswählen; geeignet seien zum Beispiel Prednicarbat, Methylprednisolon und Mometason. Einen deutlichen Rückgang der Schubfrequenz erreiche man mit der Steroid-Intervalltherapie, die keine Hautatrophie auslöst. Als letzte Option werden Substanzen wie Ciclosporin A oder Mycophenolat-Mofetil eingesetzt.