Riskante HbA1c-Wert-Senkung |
16.06.2008 11:57 Uhr |
<typohead type="3">Riskante HbA1c-Wert-Senkung
Von Christina Hohmann
Den HbA1c-Wert zu senken, ist ein erklärtes Ziel der Therapie von Diabetes-Typ-2-Patienten. Doch eine drastische Reduktion erhöht die Mortalität, statt sie zu reduzieren, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Die »Action to Control Cardiovascular Risk in Diabetes Study« (ACCORD-Studie) wurde bereits im Februar wegen Übersterblichkeit in einem Versuchsarm abgebrochen. Nun veröffentlicht das »New England Journal of Medicine« (Band 358, Nummer 24, Seiten 2545 bis 2559) die Daten. Insgesamt waren 10.251 Patienten mit Typ-2-Diabetes in der ACCORD-Studie eingeschlossen, die ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse hatten. Die Patienten waren im Schnitt 62,2 Jahre alt und seit zehn Jahren diagnostizierte Diabetiker, die vor Studienbeginn einen durchschnittlichen HbA1c-Wert von 8,1 Prozent aufwiesen.
Die Untersuchung sollte zeigen, dass eine drastische Senkung des HbA1c-Wertes kardiovaskuläre Spätfolgen verhindert. Hierfür wurden die Patienten in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine erhielt eine Standardtherapie, mit dem HbA1c-Zielwert von 7 bis 7,9 Prozent. Die andere Gruppe erhielt eine Intensivtherapie mit dem Zielwert 6 Prozent, der dem Wert von Gesunden entspricht. Nach einem Jahr waren stabile Werte von durchschnittlich 6,4 in der Intensiv- und 7,5 Prozent in der Kontrollgruppe erreicht. Die aggressive HbA1c-Wert-Senkung reduzierte die Rate der kardiovaskulären Ereignisse wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzkreislauftod in der 3,5 Jahre langen Beobachtungszeit um 10 Prozent. Das Ergebnis war aber nicht signifikant. Dagegen war die Zahl der Todesfälle unter der Intensivtherapie mit 257 deutlich höher als unter der Standardtherapie, bei der 203 Todesfälle auftraten. Somit war die Mortalität in dem Arm mit der aggressiven HbA1c-Senkung um 22 Prozent erhöht, berichten die Studienleiter.
Über die Gründe hierfür rätseln Experten bereits seit Abbruch der Studie im Februar. Im Editorial der Journal-Ausgabe berichten Robert G. Dluhy und Graham T. McMahon, zwei Herausgeber des Fachjournals, dass in der Intensivgruppe die Rate der schweren Hypoglykämien deutlich erhöht war. Diese endeten aber nicht tödlich. Zudem war die Gewichtszunahme höher als in der Kontrollgruppe. Die Probanden der Intensivgruppe nahmen im Schnitt 3,5 Kilogramm zu, jeder vierte sogar 10 Kilogramm. Wie diese Faktoren mit der Mortalität zusammenhängen, ist allerdings noch unklar. Eine Ursache der Übersterblichkeit, die diskutiert wird, ist die Polymedikation. So erhielten 52 Prozent der Teilnehmer aus der Gruppe mit der aggressiven HbA1c-Wert-Senkung drei orale Antidiabetika und zusätzlich Insulin, während es in der Kontrollgruppe nur 16 Prozent waren.
Zurzeit gilt ein HbA1c-Wert von 6,5 Prozent als erstrebenswert. William Cefalu von der Louisiana State University ist der Ansicht, dass in Zukunft ein Zielwert von 7 Prozent angemessen sein könnte.
HbA1c, auch als Glykohämoglobin (GHb) bezeichnet, ist ein wichtiger Laborparameter zur Verlaufskontrolle von Diabetes-Patienten. Es ist die Fraktion des Blutfarbstoffs Hämoglobin, die irreversibel mit Glukose verknüpft ist. Je höher der Blutzuckerwert über einen längeren Zeitraum ist, desto höher fällt auch der HbA1c-Wert aus. Kurzfristige Schwankungen beeinflussen den Wert dagegen nicht, weshalb er sich für die Kontrolle der langfristigen Therapietreue eignet. Der Wert wird bei Diabetikern etwa alle zwei bis drei Monate aus dem Vollblut bestimmt und sollte nach derzeitigen Empfehlungen unter 6,5 Prozent betragen.