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Reisekinetose

Krank durch Kurven und Kamele

26.07.2013  13:07 Uhr

Von Ulrike Viegener / Die Reisekrankheit ist streng genommen keine Krankheit, sondern eine natürliche Reaktion auf widersprüchliche Reize hinsichtlich Lage und Bewegung des eigenen Körpers. Meist gehen die Beschwerden nach zwei bis drei Tagen von selbst vorbei. Will man darauf nicht warten, stehen verschiedene Medikamente zur Auswahl.

Der legendäre Lawrence von Arabien soll heftige Episoden von Reisekrankheit beim Kamelreiten erlitten haben. Das scheint plausibel, denn der schaukelnde Gang eines Kamels hat viel mit hohem Wellengang – der klassischen Ursache der Reisekrankheit – gemein. Auch kurvenreiche Autofahrten sind ein typischer Auslöser, wobei es in aller Regel nur Beifahrer erwischt und zwar in erhöhtem Maße dann, wenn sie beim Autofahren lesen. Ähnlich wirken Karussells, Aufzüge und auch manche Computerspiele.

Alle diese Phänomene können die Symptome einer Reisekinetose auslösen, deren Ausmaß von Fall zu Fall sehr unterschiedlich sein kann. Im Vordergrund stehen Übelkeit, Erbrechen und Schwindel, typisch sind außerdem kalte Schweißausbrüche, Herzrasen und Antriebsarmut. Erbrechen – auch das ist typisch – bringt keine Erleichterung. Bei schweren Verläufen fühlen sich die Betroffenen sterbenskrank. Es kann zum Kreislaufkollaps kommen, und bei Menschen mit kardiovaskulären Erkrankungen sind Todesfälle beschrieben.

 

Die Pathogenese der Reisekinetose ist nicht abschließend geklärt. Man geht davon aus, dass widersprüchliche Bewegungsreize nicht adäquat verarbeitet werden können. Drei Instanzen sind an der Wahrnehmung von Bewegung und der Justierung des eigenen Körpers im Raum beteiligt: das Gleichgewichtsorgan im Innenohr, die Augen sowie Lagerezeptoren an Muskeln und Gelenken. Liefern diese drei Instanzen, deren afferenten Bahnen im Hirnstamm zusammen laufen, widersprüchliche Informationen, kann dadurch eine Reisekinetose ausgelöst werden, so die Hypothese. Bewegungen, bei denen der Körper – wie bei hohem Seegang – passiv in schnell wechselnde extreme Positionen gebracht wird, sind besonders kinetose-trächtig.

 

Ein Beispiel: Sitzt man auf kurvenreicher Strecke als Beifahrer im Auto, melden Muskeln und Gelenke Stillstand, denn man bewegt sich ja nicht selbst. Die Augen jedoch nehmen eine schnelle Fortbewegung wahr und das Gleichgewichtsorgan registriert Kurven und Beschleunigung. Sieht man nach unten, weil man zum Beispiel eine Karte studiert, fehlt zusätzlich die visuelle Bewegungsbestätigung.

 

Die meisten Menschen erleben im Laufe ihres Lebens Episoden von Reisekrankheit. Kinder und Jugendliche sind besonders häufig betroffen, mit zunehmendem Alter geht das Risiko dann zurück. Frauen leiden öfter an Reisekinetosen als Männer. Eine besondere Anfälligkeit besteht während Menstruation und Schwangerschaft, was auf eine hormonelle Komponente hindeutet. Auch Migränepatienten tragen ein erhöhtes Risiko. Der ausgeprägte Placeboeffekt in einer Größenordnung um 50 Prozent spricht dafür, dass die Psyche bei der Reisekrankheit ebenfalls eine Rolle spielt.

 

Ingwer kann helfen

 

Traditionell – von den Seeleuten – wird Ingwer gegen die Reisekrankheit angewendet. Dessen Inhaltsstoffe wirken gegen Brechreiz und verringern Schwindel und kalten Schweiß. Man kann kleine Stücke der frischen Ingwerwurzel kauen, aber es werden auch Kapseln und Tropfen angeboten. Auch homöopathische Mittel wie Cocculus D 6 und Tabacum D 6 haben sich bei Kinetosen bewährt.

Reichen phytotherapeutische oder homöopathische Präparate nicht aus, sind H1-Rezeptorantagonisten wie Dimenhydrinat eine weitere Option. Dimenhydrinat wirkt antiemetisch und dämpft auch den Schwindel. Das rezeptfreie Medikament gibt es in verschiedenen Darreichungsformen wie Kaugummi, Dragees, Sirup und Zäpfchen. In schweren akuten Fällen kann es auch injiziert werden, ist dann aber verschreibungspflichtig. Wegen der zentralnervösen Wirkung können starke Müdigkeit und Benommenheit auftreten, auch sind zahlreiche Kontraindikationen zu beachten.

 

Vorbeugend kann Scopolamin als Pflaster angewendet werden, das einige Stunden vor Reiseantritt aufgeklebt wird und dann einen Schutz über bis zu drei Tagen bietet. Auch bei diesem rezeptpflichtigen Medikament müssen die Anwender über Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Sehstörungen aufgeklärt werden. Bei Patienten mit Grünem Star besteht das Risiko eines Glaukomanfalls. /

Tipps für das Beratungsgespräch

  • Im Auto sollte man als Beifahrer den Blick auf einen festen Punkt am Horizont richten. Man sollte regelmäßig Pausen einlegen, um frische Luft zu schnappen und sich zu bewegen. Wenn möglich, sollte man selbst fahren.
  • Horizont fixieren, Frischluft und Bewegung in Fahrtrichtung helfen auch bei einer Seereise. Außerdem sollte man eine tiefliegende Kabine mit Fenster nehmen.
  • Im Flugzeug wählt man am besten einen Platz am Gang auf Höhe der Tragflächen.
  • Bei Bahnreisen sollte man sich in Fahrtrichtung setzen.
  • Bei bekannter Reiskrankheit sollte man bevorzugt nachts reisen und schlafen, denn dann ruht auch der Gleichgewichtssinn.
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