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Palliativmedizin

Schmerzen effektiv ausschalten

12.06.2012  17:33 Uhr

Viele Palliativpatienten leiden unter Schmerzen. Medikamente spielen für die Symptomkontrolle eine große Rolle. Wie eine effektive Schmerztherapie funktioniert, erklärte Constanze Rémi, Fachapothekerin für Klinische Pharmazie aus München.

»Jeder Mensch hat eine eigene Schmerz­wahrnehmung«, sagte Rémi. Zudem gebe es mehrere Dimensionen des individuellen Schmerzempfindens. Nicht nur physiologische Veränderungen beeinflussen es, sondern auch psychologische, soziale und spirituelle Faktoren. Dame Cicely Saunders, Ärztin aus England und Pionierin der Hospizbewegung, prägte dafür den Begriff des Total-Pain-Konzeptes. Aus diesem Umstand zog Rémi die Konsequenz, dass Schmerzmittel zwar ein wichtiger Teil im Therapiekonzept sind, dieser aber in ein individuell maßgeschneidertes Gesamtkonzept einzubetten ist.

Für die Apothekerin stellt das WHO-Stufenschema zur Tumorschmerztherapie eine gute Grundlage und Orientierungshilfe dar. Dem Schema zufolge sollten in der ersten Stufe nicht-opioide Analgetika zum Einsatz kommen. In der zweiten Stufe sind zusätzlich zur Stufe-1-Medikation schwache Opioide (zum Beispiel Tramadol oder Tilidin) vorgesehen. In der dritten Stufe sind – wiederum zusätzlich zu den Medikamenten aus Stufe 1 – starke Opioide wie Morphin oder Fentanyl indiziert. Eine Kombination der Stufen 2 und 3 ist nicht vorgesehen. Möglich sind dagegen Co-Analgetika wie Pregabalin oder Amitriptylin. Rémi betonte, dass auch mehrere davon bei einem Patienten zum Einsatz kommen können.

 

Als Grundprinzipien der Schmerztherapie nannte die Referentin die Kriterien »by the ladder, by the mouth, by the clock«. Das heißt, die Schmerztherapie sollte nicht nur entsprechend dem Stufenschema erfolgen, sondern auch möglichst oral und nach festem Zeitplan. Das Einnahmeintervall ist entsprechend der Wirkdauer zu wählen. Rémi machte deutlich, dass Angaben auf einem Einnahmeplan wie »viermal täglich« nicht ausreichend seien. Notwendig sei vielmehr eine genaue Angabe von Einnahmezeitpunkten wie »8 Uhr, 12 Uhr, 16 Uhr und 20 Uhr«. Der individuelle Arzneimittelplan müsse zudem an den Tagesrhythmus des Patienten angepasst sein.

 

»Alle Patienten sollten neben der Basismedikation eine Bedarfsmedika­tion für die Behandlung von Durchbruchschmerzen erhalten«, forderte Rémi. In der Praxis werde das oft vergessen, falsch dosiert oder kein unretardiertes Präparat dafür ausgewählt. Als Orientierungshilfe für die richtige Dosierung der Bedarfsmedikation gab Rémi die vierstündliche Gabe von einem Zehntel bis einem Sechstel der Gesamttagesdosis an.

 

Ein Beispiel: Ein Patient ist auf Fentanyl TTS 300 µg/h eingestellt. Diese Tagesdosis an Fentanyl entspricht der peroralen Verabreichung von 720 mg Morphin. Als Bedarfsmedikation darf der Patient dementsprechend vierstündlich 120 mg Morphin erhalten. »Viele Ärzte haben völlig zu Unrecht Skrupel, so hohe Mengen zu verschreiben«, kritisierte Rémi. Sie wies zudem auf eine weitere Notwendigkeit hin. Wenn der Patient an mehreren Tagen mehr als viermal zur Bedarfsmedikation greifen muss, sollte man die Erhöhung der Basismedikation in Erwägung ziehen.

 

Die Apothekerin ging auch auf die neuen, schnell wirksamen Fentanyl-Darreichungsformen ein. Diese seien ohne Zweifel wirksam und für viele Patienten eine große Hilfe. Allerdings gebe es noch einige Fragezeichen, und die Präparate seien sicherlich nicht für jeden Patienten geeignet. Die Dosis­titration sei zum Beispiel sehr kompliziert. Zudem seien nicht bei allen Patienten die Voraussetzungen für die Anwendung gegeben. Auch den Kick durch das schnelle Anfluten von Fentanyl und das daraus resultierende Abhängigkeitspotenzial müsse man berücksichtigen.

 

Im Folgenden hob die Apothekerin hervor, dass im Therapiekonzept auch die Behandlung von Nebenwirkungen eine Rolle spielen muss. Während Übelkeit, Erbrechen und Sedierung oftmals nur zu Therapiebeginn auftreten, kommt es bei der Obstipation nicht zur Toleranzentwicklung. Welches Laxans ist das richtige? Eine pauschale Antwort hierauf gibt es nicht. Wichtig ist, dass der Patient das Mittel letztlich einnimmt. Somit ist bei der Präparatewahl Rémi zufolge unbedingt der Patientenwunsch zu berücksichtigen.

 

Nebenwirkungen können auch ein Grund dafür sein, von einem Opioid auf ein anderes zu wechseln. Diese sogenannte Opioidrotation ist aber auch bei mangelnder Compliance, abnehmender Nierenfunktion oder einer Opioid-induzierten Hyperalgesie (OIH) eine Option. Letztgenanntes Phänomen ist eine paradoxe Antwort auf einen Opioid-Agonisten, die zu einer erhöhten Schmerzempfindung anstatt einer antinozizeptiven Wirkung führt. Wahrscheinlich kommt es durch eine anhaltende Sensibilisierung des Nervensystems zustande. Als Anzeichen einer OIH nannte Rémi eine sich schnell entwickelnde Opioidtoleranz, eine nur kurzzeitige Schmerzlinderung nach Dosiserhöhung und eine Veränderung des Schmerzmusters. Tritt dies bei einem Patienten auf, sollten Ärzte und Apotheker hellhörig werden.

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