Psychiatrische Therapie optimieren |
12.06.2012 17:33 Uhr |
Die personalisierte Medizin zielt darauf ab, klinische Effekte besser vorauszusagen und auftretende Nebenwirkungen besser erklären zu können. Professor Dr. Ingolf Cascorbi aus Kiel erläuterte diesen Ansatz am Beispiel der Antidepressiva und Neuroleptika.
Nahezu jeder zweite Patient reagiere mit fehlenden oder unerwünschten Arzneimittelwirkungen auf die anfänglich verabreichten Antidepressiva, so der Facharzt für Klinische Pharmakologie am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Die Pharmakokinetik von Antidepressiva werde hauptsächlich durch die Aktivität der CYP450-Enzyme bestimmt. So beeinflusst der Abbau über CYP2D6 maßgeblich die Plasmaspiegel insbesondere älterer Wirkstoffe wie Imipramin. Durch einen CYP2D6-Polymorphismus können hier große interindividuelle Schwankungen auftreten. Bei Patienten mit einer Genduplikation am CYP2D6-Locus arbeitet das Enzym so schnell, dass sich zu keiner Zeit wirksame Plasmaspiegel aufbauen können. Unter diesen sogenannten Ultra Rapid Metabolizern findet sich daher eine große Zahl von Non-Respondern. Bei den Poor Metabolizern hingegen arbeitet das Enzym nur eingeschränkt und langsam. Bei diesen Patienten treten folglich schon bei üblichen Dosierungen höhere Plasmaspiegel auf als bei Patienten mit normaler Enzymausstattung.
In der Behandlung psychiatrischer Erkrankungen wie Depression und Schizophrenie könnte die Pharmakogenetik den Betroffenen in Zukunft viele Vorteile bringen.
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Bei den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern und den selektiven Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern spielen pharmakokinetische Effekte durch eine veränderte Enzymausstattung nur eine geringe Rolle. Bei diesen Wirkstoffgruppen kann die Pharmakodynamik aufgrund von Polymorphismen an Catecholamin- und Serotonin-Transportern variieren. Die Studienlage sei hier jedoch heterogen, erklärte Cascorbi. Nicht immer lasse sich ein Zusammenhang der Effekte mit bestimmten genetischen Merkmalen nachweisen.
Bei der Behandlung der Schizophrenie mit Neuroleptika lassen sich ähnliche kinetische Abhängigkeiten von CYP2D6 wie bei den Trizyklika beobachten. So konnte beispielsweise für Haloperidol gezeigt werden, dass Poor Mmetabolizer ein erhöhtes Risiko für das Auftreten extrapyramidal-motorischer Nebenwirkungen haben. Bei dem atypischen Neuroleptikum Clozapin besteht mit einer Häufigkeit von 0,8 Prozent die Gefahr einer Agranulozytose als schwerer Unverträglichkeitsreaktion. Studien zeigen, dass diese seltene Nebenwirkung mit einem Merkmal des Haupthistokompatibilitätskomplexes, HLA-DQB1, assoziiert ist. Es ließ sich bei Patienten, bei denen eine Agranulozytose auftrat, 17-mal häufiger nachweisen. Aufgrund der Seltenheit dieses Merkmals eigne sich dieser Marker jedoch nicht zum Einsatz in prophylaktischen Tests, erklärte Cascorbi.
Abschließend erläuterte der Mediziner, dass der Einsatz der Pharmakogenetik in der psychiatrischen Therapie zwar möglich sei und viele Vorteile bringen könnte. Allerdings sei das Prinzip noch nicht ausgereift und werde heute erst vereinzelt bei unerwarteten Plasmakonzentrationen oder schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen eingesetzt. Laut Cascorbi sind aber weiterführende Untersuchungen nötig, um herauszufinden, welche Patienten besser behandelt werden könnten.