Arzneimittel sicher kombinieren |
12.06.2012 17:16 Uhr |
Hypertonie, koronare Herzkrankheit und Herzinsuffizienz sind komplexe Erkrankungen und mit einer Monotherapie oft nicht zu behandeln. Das Risiko für Interaktionen steigt, wenn eine Medikation gegen Begleit- und Folgeerkrankungen hinzukommt.
»Die meisten Menschen sterben an ihren Arzneimitteln, nicht an ihren Erkrankungen.« Diese Aussage des französischen Dichters Molière gelte zum Glück heute nicht mehr, erklärte Dr. Nina Griese vom Zentrum für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis (ZAPP) in Berlin. Dennoch sei die Kenntnis möglicher Gefahren von Arzneimitteln und klinisch relevanter Interaktionspotenziale wichtig, da es insbesondere bei der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen häufig zu einer Polymedikation komme.
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Bei der Substanzklasse der Diuretika stehen pharmakodynamische Wechselwirkungen im Vordergrund. Kaliumsparende Diuretika wie Spironolacton, Triamteren oder Amilorid erhöhen das Risiko einer Hyperkaliämie. Diese kann sich mitunter innerhalb von ein bis zwei Tagen entwickeln und mit Symptomen wie Blutdruckabfall und Arrhythmien bis hin zu Herzstillstand einhergehen. Werden kaliumsparende Diuretika mit ACE-Hemmern oder Angiotensin-II-Antagonisten kombiniert, ist eine weitere Erhöhung des Kaliumspiegels zu erwarten.
Gibt man gleichzeitig kaliumsparende und -ausscheidende Diuretika, habe dies keinen ausgleichenden Effekt, wie man es vielleicht erwarten würde. Hier sei eher eine erhöhte Kaliumretention zu erwarten, so Griese. Faktoren wie Diabetes mellitus, Nierenfunktionsstörungen, die Gabe von nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) oder eine Kaliumsubstitution erhöhen zusätzlich das Risiko einer Hyperkaliämie. Griese sprach sich daher grundsätzlich gegen eine Kaliumsubstitution in der Selbstmedikation aus.
Auch bei den Betablockern sind Interaktionen auf pharmakodynamischer Ebene möglich. Aufgrund ihrer negativ chronotropen und inotropen Wirkung sind Wechselwirkungen mit Calciumantagonisten, Digitalisglykosiden und Antiarrhythmika möglich. Betablocker haben vielfältige pharmakologische Eigenschaften, zum Beispiel beeinflussen sie die Glucosetoleranz. Wechselwirkungen sind daher auch bei gleichzeitigem Einsatz von Betablockern und Insulin, oralen Antidiabetika, Beta-Sympathomimetika bei Asthma sowie NSAR zu erwarten.
Relevante Wechselwirkungen in der Gruppe der Statine sind vor allem pharmakokinetischer Natur. Hier spielt vor allem die Hemmung oder Induktion von CYP3A4 eine Rolle. Simvastatin, Lovastatin und Atorvastatin werden größtenteils über dieses Enzym verstoffwechselt. Wird der Abbauweg gehemmt, steigt das Risiko einer Rhabdomyolyse. Auch schwache CYP3A4-Inhibitoren wie Verapamil oder Diltiazem sollten daher vorsichtig und nur in niedriger Dosierung mit den genannten Wirkstoffen kombiniert werden. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA empfiehlt mittlerweile, Verapamil oder Diltiazem mit höchstens 10 mg Simvastatin täglich zu kombinieren. Fluvastatin, Pravastatin und Rosuvastatin werden zum großen Teil nicht über CYP3A4 verstoffwechselt und weisen daher ein wesentlich geringeres Interaktionspotenzial auf.
Dass Wirkungen und Nebenwirkungen sich auch bei gleichem Wirkmechanismus nicht zwangsläufig gegenseitig verstärken müssen, zeigt die Interaktion zwischen niedrig dosiertem ASS und Ibuprofen. Ibuprofen konkurriert mit ASS um die Bindungsstelle an der Cyclooxygenase. Dort bindet es reversibel und verhindert so die Wirkung der ASS, die währenddessen abgebaut wird. Eine kurzfristige gemeinsame Gabe sei unproblematisch, da noch eine ausreichende Hemmung der Thrombozytenfunktion gewährleistet sei, so Griese. Bei einer längeren Einnahme sollte der Patient jedoch auf ein anderes NSAR oder Paracetamol ausweichen oder die Einnahme zeitlich trennen. Ibuprofen sollte dann mindestens 30 Minuten nach oder mindestens acht Stunden vor ASS eingenommen werden.