Zeitbombe metabolisches Syndrom |
| 12.06.2007 14:52 Uhr |
<typohead type="3">Zeitbombe metabolisches Syndrom
Patienten mit metabolischem Syndrom sind fast immer übergewichtig. Sie leiden meist auch an einer Insulinresistenz, Hypertonie und Dyslipidämie - alles Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Glitazone können zwar die Entwicklung des Diabetes aufhalten, aber kardiovaskuläre Ereignisse nicht verhindern.
Ausgangspunkt des metabolischen Syndroms ist das Fettgewebe, das bei vielen Deutschen zu stark ausgeprägt ist, sagte Professor Dr. Dieter Steinhilber, Frankfurt am Main. Nach Angaben der Bundesregierung sind in Deutschland etwa 75 Prozent der Männer und 59 Prozent der Frauen zu dick. Von Adipositas spricht man bei einem Body-Mass-Index über 30 oder einem Bauchumfang von mehr als 104 cm für Männer und 88 cm für Frauen.
Adipositas ist der Motor des metabolischen Syndroms, weil sie eine Insulinresistenz bedingen oder fördern kann. Hierfür ist nicht die Fettmenge entscheidend, sondern die Fettverteilung. Eine stammbetonte (androide) Adipositas ist sehr viel schädlicher als die hüftbetonte (gynoide), denn das Bauchfett ist deutlich stoffwechselaktiver. Vor allem die Lipolysegeschwindigkeit ist hoch. Dadurch werden aus dem Bauchfett große Mengen an freien Fettsäuren freigesetzt. Dieser Fettsäure-Überschuss führt dazu, dass die Muskelzellen ihren Energiebedarf über Fettsäuren decken und die Glucoseaufnahme sinkt.
Zusätzlich setzen Fettzellen Botenstoffe wie Interleukin-6 und TNF-α frei. Diese führen ebenfalls zu einer Insulinresistenz, da sie die Insulinrezeptoren hemmen, das Insulinsignal schwächen und die Synthese des Insulinrezeptors vermindern. Das Gewebe wird zunehmend unempfindlich gegenüber Insulin. Der Glucosespiegel steigt an mit den bekannten schädlichen Folgen für die Gefäße wie Mikro- und Makroangiopathie.
Aber Insulin ist nicht nur ein Speichersignal für Glucose, sondern auch für Fette, erklärte Steinhilber. Wenn das Insulinsignal wegfällt, steigen Lipolyse und Triglyceridsynthese an. Es entstehen vermehrt freie Fettsäuren, Triglyceride und schädliches LDL-Cholesterol. Die resultierende Dyslipidämie begünstigt eine Atherosklerose.
Die zunehmende Insulinresistenz versucht der Körper mit einer Steigerung der Insulinproduktion zu überwinden. Dies überfordert die Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse; sie sterben ab und ein manifester Typ-2-Diabetes entsteht.
Dieser Prozess lässt sich durch Glitazone aufhalten, erklärte Steinhilber. Die Wirkstoffe aktivieren im Fettgewebe den Rezeptor PPARg und verändern so die Genexpression. Dadurch steigen die Aufnahme und Speicherung von Glucose und Fettsäuren ins Gewebe. Die Freisetzung von Mediatoren, die die Insulinwirkung hemmen, wird gedrosselt. Somit lässt sich die Entwicklung eines Diabetes effektiv verhindern. In der DREAM-Studie von 2006 reduzierte Rosiglitazon die Inzidenz von Diabetes um 62 Prozent gegenüber Placebo. Allerdings nahm die kardiovaskuläre Mortalität nicht ab. Zudem traten in der Verumgruppe mehr Fälle von Herzinsuffizienz auf als unter Placebo.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch die PROactive-Studie mit 5000 Hochrisikopatienten. Hier konnte Pioglitazon das Diabetes-Risiko um 50 Prozent senken. Erkauft wurde dies mit einer verdoppelten Ödem-Inzidenz und einer vierfach höheren Herzinsuffizienz-Rate. »Der therapeutische Nutzen muss sorgfältig gegen die Nachteile abgewogen werden«, folgerte Steinhilber. Zumal der Nutzen einer Änderung der Lebensgewohnheiten größer sei als der Effekt der Glitazone. Wichtigste therapeutische Maßnahmen seien die Gewichtsreduktion bei Adipösen, vermehrte körperliche Aktivität, gesunde Ernährung und eingeschränkter Alkoholkonsum.