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Interaktionen richtig einschätzen

Datum 12.06.2007  14:52 Uhr

Pharmacon Meran 2007

<typohead type="3">Interaktionen richtig einschätzen

Mit acht Interaktionsmeldungen hat es ein Apotheker durchschnittlich am Tag zu tun. Jedoch längst nicht von jeder Wechselwirkung geht tatsächlich eine Gefahr aus. Daher ist es wichtig, die Bedeutung einer Interaktion zu bewerten und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen.

 

»Es gibt eine riesige Anzahl von Interaktionen und Fallberichten. Doch welche sind häufig und relevant?« Mit dieser Frage begann Professor Dr. Martin Schulz vom Zentrum für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis (ZAPP), Berlin, seinen Vortrag. Nur ein kleiner Teil der unerwünschten Arzneimittelwirkungen sei durch Interaktionen verursacht, doch dieser sei besonders wichtig, betonte der Arzt und Apotheker. Denn Interaktionen seien vorhersagbar und damit vermeidbar.

 

Die Gefahr für Interaktionen steigt exponenziell mit der Zahl gleichzeitig eingenommener Arzneimittel, dem Alter des Patienten und auch der Zahl der beteiligten Ärzte und Apotheker, wie Studien belegen. Dies spreche ausdrücklich für das Hausapotheken-Modell, wertete Schulz die Datenlage. Denn wenn ein Patient immer in seine »Stammapotheke« geht, hat der Apotheker die komplette Arzneimitteltherapie inklusive Selbstmedikation im Blick.

 

Etwa 5000 Interaktionen sind bekannt. Schulz rät, sich auf die 15 häufigsten schwerwiegenden und mittelschweren zu konzentrieren. Denn diese verursachen mehr als die Hälfte aller Wechselwirkungen, wie die ABDA in einer Aktionswoche zu arzneimittelbezogenen Problemen herausfand. Besondere Aufmerksamkeit ist bei nicht steroidalen Antirheumatika, Antihypertonika, Antibiotika und polyvalenten Kationen gefordert. Zu den problematischen Gruppen gehören auch Arzneistoffe mit geringer therapeutischer Breite wie Herzglykoside, Theophyllin und orale Antikoagulantien, Inhibitoren des Cytochrom-P450-Systems wie Azol-Antimykotika, SSRI und Makrolide sowie CYP-Induktoren wie Rifampicin und Johanniskraut. Alte Patienten sowie Menschen mit Leber- oder Niereninsuffizienz sind ohnehin vermehrt gefährdet, Arzneimittelnebenwirkungen zu bekommen.

 

Liegt die Interaktion in der Pharmakodynamik begründet, handelt es sich häufig um ein Klassenphänomen. Zum Beispiel sind nicht kardioselektive Betablocker in Kombination mit Betasympathomimetika generell kontraindiziert. Schwieriger sind pharmakokinetische Wechselwirkungen einzuschätzen, da sie oft nicht die ganze Arzneistoffgruppe betreffen. Andererseits findet man hier leichter und mehr Alternativen.

 

Ein Beispiel sind Statine und Makrolide: Simvastatin und Lovastatin werden vorwiegend über CYP3A4, Fluvastatin dagegen über CYP2C9 abgebaut. Makrolide hemmen in unterschiedlichem Ausmaß CYP3A4 und damit den Arzneistoffabbau. Bei der Kombination von Simvastatin mit Clarithromycin kann es daher zu Nierenversagen und Rhabdomyolyse kommen. Doch diese wichtige Interaktion wird in der Praxis oft nicht beachtet. Als Alternative kann der Apotheker dem Arzt ein anderes Antibiotikum, einen anderen Lipidsenker, zum Beispiel Prava- oder Fluvastatin, oder, wenn kein akutes Koronarsyndrom vorliegt, eine Statinpause vorschlagen.

 

Auch Lebens- und Genussmittel können interagieren: Als »russisches Roulette« bezeichnete Schulz den Konsum von Grapefruitsaft in Kombination mit Arzneimitteln. Er riet generell davon ab, Medikamente mit Saft einzunehmen. Darüber hinaus sollten Schilddrüsenhormone, Bisphosphonate, Tetrazykline und Gyrasehemmer nicht mit Mineralwasser verabreicht werden, da dieses polyvalente Kationen enthält.

 

Häufig fehlen epidemiologische Daten oder es liegen nur Einzelfallberichte vor, was Schulz als Problem für das Interaktionsmanagement sieht. Zudem kritisierte er, dass pharmakokinetische Untersuchungen im Rahmen der Zulassung nur an männlichen gesunden Probanden durchgeführt werden. Es gebe keine einheitliche Bewertung zur Relevanz von Wechselwirkungen. Vielmehr stuften einzelne Experten Interaktionen unterschiedlich ein. Daher gilt es, Quellen zu hinterfragen.

 

Manchmal tauchen auch Interaktionen bei gut etablierten Arzneistoffen auf, die bisher überhaupt nicht oder nicht in ihrem Ausmaß bekannt waren. Schulz nannte als Beispiel den Fall einer 68-jährigen Frau, bei der es unter Paroxetin-Gabe nach wenigen Tagen zu einer Digoxin-Intoxikation kam. Man vermutet, dass Paroxetin (und auch Fluoxetin) das Transportprotein P-Glykoprotein in den Nieren hemmen, sodass die Digoxinspiegel im Plasma rasant ansteigen. In solchen Fällen sei ein engmaschiges Drug Monitoring oder das Ausweichen auf andere Antidepressiva angezeigt.

 

Seltene Interaktionen sind schwer zu erfassen. Um eine Interaktion, die bei einem von 1000 Patienten auftritt, mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit zu beobachten, müssen 3000 Patienten beobachtet werden. »Welcher Arzt hat schon so viele Patienten?« verdeutlichte Schulz die Problematik.

 

Der Referent riet, eine Interaktionsmeldung zunächst immer als Warnsignal aufzufassen. Es sei Aufgabe des Apothekers, deren klinische Relevanz zu beurteilen und zu entscheiden, ob eine Intervention notwendig ist. Diese müsse an die individuelle Patientensituation angepasst werden.

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