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Hormonblockade bei Tumoren

12.06.2007  14:52 Uhr

Pharmacon Meran 2007

<typohead type="3">Hormonblockade bei Tumoren

Hormone und Tumoren beeinflussen sich gegenseitig auf vielfältige Weise. Hormone können in physiologischen Konzentrationen das Wachstum von Neoplasien anregen. Andererseits gibt es Tumoren, die Hormone in Massen produzieren und dadurch Krankheiten auslösen. Daraus ergeben sich vielfältige Ansatzpunkte für eine Pharmakotherapie.

 

Antihormonell wirksame Stoffe in der Tumortherapie greifen vor allem auf drei Wegen ein. Sie blockieren die Synthese eines Hormons, regulieren seine Freisetzung oder stören seine Interaktion mit dem Rezeptor. Ziel ist es, die Signalkaskade und deren Folgen, zum Beispiel eine Genexpression, zu unterbinden. Professor Dr. Klaus Mohr aus Bonn stellte diese Mechanismen vor und machte die Zuhörer auf »pharmazeutische und pharmakologische Sehenswürdigkeiten« aufmerksam.

 

Paradebeispiel der hormonell beeinflussbaren Tumoren ist das Prostatakarzinom, das bei den meisten Männern Testo-steron-abhängig wächst. Gonadorelin-Superagonisten wie Buserelin, Leuprorelin oder Goserelin sowie Androgenrezeptor-Antagonisten werden hier eingesetzt. Die Antagonisten wie Flutamid oder Bicalut-amid besetzen den Testosteronrezeptor und verdrängen den körpereigenen Liganden.

 

Raffinierter ist der Wirkmechanismus der Superagonisten, die in die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse eingreifen. Im Gegensatz zur physiologischen pulsatilen Stimulation der Zellen im Hypophysenvorderlappen (HVL) regen sie diese dauerhaft massiv an und würgen damit den Regelkreis ab. Nach anfänglich vermehrter Ausschüttung von Luteinisierendem Hormon (LH) schützen sich die HVL-Zellen gegen den unphysiologischen Stimulus und stellen ihre Tätigkeit ein. Damit fehlt im Hoden der Anreiz zur Testosteronproduktion.

 

Auch beim Mammakarzinom zielt die Therapie primär auf Ausschaltung der wachstumsfördernden Estrogene ab. Als einziger Estrogenrezeptor-Blocker ist Fulvestrant zugelassen, das die Bindung von Estradiol an den nukleären Rezeptor verhindert. Aromatase-Hemmstoffe wie Anastrozol und Letrozol blockieren das Enyzm, das die Bildung von Estradiol aus Testosteron katalysiert. Bei postmenopausalen Frauen wird damit die extragonadale Hormonproduktion unterdrückt.

 

Gut etabliert bei Brustkrebs sind selektive Estrogen-Rezeptor-Modulatoren (SERM) wie Tamoxifen und Toremifen. Während das physiologische Hormon als Agonist fungiert, kann Tamoxifen je nach Gewebe agonistisch oder antagonistisch wirken, was therapeutisch erwünschte und unerwünschte Effekte auslöst, erklärte Mohr. So bremst der Arzneistoff das Wachstum von Brustkrebszellen, erhöht aber das Risiko für Endometriumkrebs und Thromboembolien. Der SERM Raloxifen wird wegen seiner agonistischen Wirkung am Knochen als Osteoporose-Medikament eingesetzt. Wie entsteht die selektive Wirkung? Zum einen beeinflussen die SERM bei ihrer Bindung an den Estrogenrezeptor dessen Konformation unterschiedlich, zum anderen rekrutieren sie gewebespezifisch unterschiedliche Co-Aktivatoren und -Repressoren der Genexpression.

 

Als Beispiel für eine Erkrankung durch überschießende Hormonproduktion stellte der Pharmakologe die Akromegalie vor. Hier führt eine neoplastische Veränderung von Zellen des Hypophysenvorderlappens dazu, dass massenhaft Wachstumshormon (Somatotropin) produziert wird. Dadurch wachsen Hände, Füße und Teile des Gesichts. Der Tumor wird operativ oder durch Bestrahlung zerstört. Gelingt dies nicht, kann man die Freisetzung von Somatotropin durch die Somatostatin-Analoga Octreotid und Lanreotid bremsen. Auch das Wachstumshormon wirkt nicht direkt, sondern vermittelt seine Effekte über das Hormon Somatomedin (IGF-1), das in der Leber gebildet wird. Bemerkenswert ist laut Mohr, dass die Leber ein endokrines Organ ist. Neu ist ein Antagonist an Wachstumshormon-Rezeptoren auf den Leberzellen. Pegvisomant ähnelt strukturell dem physiologischen Hormon, verhindert aber die Dimerisierung der Rezeptoren auf der Zelloberfläche und damit die Signalweiterleitung ins Zellinnere.

 

Dopaminrezeptor-Agonisten wie Bromocriptin werden als Prolaktin-Hemmer eingesetzt. Das Hormon Prolaktin wird von speziellen HVL-Zellen gebildet. Es fördert nach der Geburt die Laktation und hemmt über negative Rückkopplung die Hypothalamus-Hypophysen-Ovar-Achse; damit entsteht eine passagere Amenorrhö. 30 Prozent der Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch haben eine Hyperprolaktinämie, berichtete der Mediziner. Da Dopamin die Prolaktin-Freisetzung hemmt, können Dopamin-Agonisten hier helfen.

 

Ein ebenfalls relativ neuer Wirkstoff ist Cinacalcet, das die Parathormon-Überexpression bei einem Karzinom der Nebenschilddrüse (Parathyreoidea) bremsen kann. Die Drüse produziert Parathormon, das bei sinkendem Calciumspiegel im Extrazellulärraum die Mobilisierung des Minerals aus dem Knochen anregt. Bei normalem Calciumspiegel signalisiert das Ion über einen Rezeptor, dass die Parathormon-Spiegel sinken können. Cinacalcet ist selbst kein Agonist an diesem Rezeptor, verstärkt aber durch allosterische Bindung das Calciumsignal. Dies ist laut Mohr der erste Wirkstoff, der als allosterischer »Verstärker« an G-Protein-gekoppelten Rezeptoren wirkt.

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