Neue Wirkstoffe erleichtern Therapie |
04.06.2014 09:42 Uhr |
Peroral anwendbare Arzneistoffe zur Basis- und Eskalationstherapie haben die Therapie der Multiplen Sklerose (MS) in den vergangenen Jahren deutlich einfacher gemacht. In der Pipeline der forschenden Pharmaindustrie sind zudem einige neue Therapeutika.
»Basis der modernen MS-Therapie ist die Immunmodulation mit Interferon-β1a beziehungsweise -β1b oder Glatirameracetat«, sagte Professor Dr. Gerd Bendas von der Universität Bonn. In großen Studien wurde gezeigt, dass die parenteral anzuwendenden Medikamente gleich effektiv sind. Allerdings sprechen etwa 30 Prozent der Patienten nicht auf eine Basistherapie an. In der Eskalationsphase werden dann Immunsuppressiva eingesetzt. Glucocorticoide – lange Zeit die einzige Option einer antiinflammatorischen Therapie – gehören heute noch zum Repertoire der Schubtherapie. Hierzu wird kurzzeitig hoch dosiertes Methylprednisolon eingesetzt.
»Zur Basistherapie ist ein pegyliertes Interferon-β1a in Entwicklung, das der Patient nur noch alle 14 Tage subkutan spritzen muss«, berichtete Bendas. Die Zulassung für Plegridy® sei bei der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA bereits beantragt.
Zu den peroral anwendbaren Neulingen in der Basistherapie gehört Teriflunomid, das die Schubrate bei Patienten mit schubförmig remittierender MS (RRMS) um etwa 35 Prozent senken und die Behinderungsprogression verlangsamen kann. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen konstatierte allerdings im Januar 2014, dass das Medikament »keinen belegten Zusatznutzen« habe, sondern sich nur im Nebenwirkungsprofil von anderen MS-Therapeutika unterscheide.
Im März 2014 kam Dimethylfumarat zur MS-Therapie auf den Markt. In Studien reduzierte es die Schubrate um etwa 50 Prozent. Die Wirkung trete allerdings erst nach zwei bis drei Monaten ein, sagte Bendas. Lymphopenie, Magen-Darm-Probleme und Flush gehören zu den Nebenwirkungen, so der Apotheker.
Monotherapie zur Eskalation
»Die Eskalationstherapie mit Immunsuppressiva ist immer eine Monotherapie«, erklärte Bendas. Natalizumab, ein Antikörper gegen das Adhäsionsmolekül Integrin-α4 auf Lymphozyten, könne die Schubrate »auf null reduzieren«, aber auch schwere, potenziell tödliche Komplikationen wie etwa eine progressive multifokale Leukenzephalopathie auslösen. Daher darf es nur unter einem speziellen Monitoring eingesetzt werden.
Der Anti-CD52-Antikörper Alemtuzumab wurde im September 2013 als MS-Therapeutikum eingeführt – nach seiner Marktrücknahme als Leukämiepräparat. Der deutlich höhere Preis des Antikörpers als MS-Mittel löste dabei hitzige Diskussionen aus.
Auch Fingolimod wird zur Eskalationstherapie bei RRMS-Patienten eingesetzt. Das peroral anzuwendende Sphingosin-Analogon wirkt als Superagonist an Sphingosin-1-Phosphat-(S1P)-Rezeptoren auf T-Lymphozyten, was zu einer Internalisierung dieser Rezeptoren führt. In der Folge werden T-Lymphozyten im lymphatischen System zurückgehalten.
In der Pipeline
Dass die Pipeline der Pharmaunternehmen »sehr verheißungsvoll« ist, zeigte Bendas an einigen Beispielen. Parenteral appliziert wird der Antikörper Ocrelizumab, der sich – ähnlich wie Rituximab – gegen das CD20-Oberflächenprotein auf reifen B-Lymphozyten richtet und so deren Eliminierung durch das Immunsystem einleitet. Ocrelizumab befindet sich in Phase III der klinischen Prüfung. Gleiches gilt für Daclizumab, das bereits als Immunsuppressivum nach Organtransplantation auf dem Markt war. Der Antikörper richtet sich gegen CD25-Proteine am Interleukin-2- Rezeptor und beeinflusst Proliferation und Differenzierung von T-Lymphozyten. In Phase II befindet sich der Anti-Interleukin-17-Antikörper Secukinumab.
Auch kleine Moleküle sind in fortgeschrittener klinischer Prüfung. Bendas nannte Siponimod und Ponesimod. Beide Moleküle sind S1P-Rezeptoragonisten wie Fingolimod. Die Zulassung des Immunmodulators Laquinimod, der lange Zeit als neue Option bei MS betrachtet wurde, lehnte die europäische Zulassungsbehörde EMA allerdings kürzlich wegen Sicherheitsbedenken ab. /