Pharmazeutische Zeitung online
Neue Arzneistoffe

1, 2 oder 3

07.06.2011  17:46 Uhr

Michael Schanze hat es in der Kindersendung vorgesungen. »1, 2 oder 3: Du musst dich entscheiden.« Zwar nicht singend, dafür aber mit guten Argumenten bewaffnet, traf auch Arzneimittelexperte Professor Dr. Hartmut Morck im Rahmen seines Vortrages zu neuen Arzneistoffen eine Wahl. Die »1« erhielten Sprunginnovationen, die »2« Schrittinnovationen und die »3« Me-too-Präparate.

Seit Kurzem können Augenärzte das erste zur Behandlung des Makulaödems nach retinalem Venenverschluss zugelassene Medikament einsetzen. Der darin enthaltene Wirkstoff Dexamethason ist natürlich nichts Neues. »Das Präparat Ozurdex® kann man aufgrund der neuen Darreichungsform trotzdem als Schrittinnovation bezeichnen«, sagte Morck. Ärzte müssen das Implantat direkt in den Glaskörper applizieren. Das Corticoid ist an eine Polymer­matrix gebunden. Diese löst sich vollständig auf und setzt den Wirkstoff frei. Morck präsentierte Daten, wonach bereits zwei Monate nach dem Eingriff bei 30 Prozent der Patienten eine klinisch signifikante Verbesserung der Sehschärfe zu beobachten war. In den USA ist das Präparat auch bei Uveitis zugelassen. Das könnte in Europa auch bald der Fall sein. Eine Empfehlung zur Zulassung von einem Expertenkomitee der EMA gibt es bereits, so Morck.

Bei dem Analgetikum Tapentadol hat sich Morck für eine »3«, also die Einstufung als Scheininno­vation, entschieden. Zugelassen ist die Substanz zur Behandlung von Erwachsenen mit chroni­schen starken Schmerzen, die nur mit Opioidanalgetika angemessen gelindert werden können. Morck zufolge ist es sehr zweifelhaft, dass die Substanz etwas grundlegend Neues ist. Vergleicht man die Strukturformeln, so lässt sich die Ähnlichkeit zu Tramadol und Oxycodon leicht erkennen. Der neue Wirkstoff wird als Vertreter der Substanzklasse der MOR-NRI bezeichnet. Das Kürzel kennzeichnet einen dualen Wirkmechanismus. Tapentadol greift agonistisch an µ-Opioid­rezeptoren (MOR) an und hemmt die Wiederaufnahme von Noradrenalin aus dem synaptischen Spalt (Noradrenalin-Re­uptake-Inhibitor, NRI). »Die Behauptung des Herstellers, dass die Hauptwirkung von Tapentadol durch die Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmung zustande kommt, ist aus meiner Sicht nicht richtig«, wertete Morck. Zudem kritisierte er, dass keine Vergleichsstudie mit Tramadol gemacht wurde. »Aus Angst davor, dass Tapentadol darin schlechter abschneidet?«, mutmaßte Morck.

 

Eine »1« vergab Morck an Roflumilast. Wa­rum ist es eine Sprunginnovation? Roflumilast ist die erste Substanz der neuen Wirkstoffklasse Phosphodiesterase-4-Hemmer (PDE-4-Hemmer). Indiziert ist sie zur Dauertherapie bei erwachsenen Patienten mit schwerer COPD und chronischer Bronchitis sowie häufigen Exazerbationen in der Vergangenheit. Bei COPD spielt unter anderem das Enzym Phosphodiesterase-4 (PDE-4) für die Funktion der Immunzellen eine wichtige Rolle. Wird es gehemmt, steigt die intrazelluläre Konzentration des Botenstoffs zyklisches Adenosinmonophosphat (cAMP). Das führt zu einer Reihe von antientzündlichen Effekten. »Roflumilast ist eine nicht steroidale, antiinflammatorisch wirksame Substanz, die sowohl die systemische als auch die mit der COPD einhergehende pulmonale Entzündung beeinflusst«, so Morck. Zudem stellte er klar, dass Roflumilast immer nur als Add-on zu einer Basistherapie und nie als Notfallmedikament zum Einsatz kommt. Wichtig für die Beratung: Eine spürbare Wirkung setzt erst nach drei Wochen ein, mögliche Nebenwirkungen (unter anderem psychiatrischer Natur) schon früher.

 

Auch das Osteoporosemittel Denosumab und das MS-Medikament Fingolimod sind Morck zufolge Einserkandidaten. Der monoklonale Antikörper Denosumab kommt zur Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen zum Einsatz. Zudem ist er zugelassen zur Behandlung des Knochenschwunds bei Männern mit Prostatakrebs, die eine Androgenentzugstherapie bekommen. Denosumab bindet mit hoher Affinität an das Protein RANK-Ligand (RANKL). Das hindert RANKL daran, seinen Rezeptor RANK auf der Oberfläche von Osteoklasten-Vorläuferzellen zu besetzen. Die Unterbrechung der Rezeptor-Ligand-Interaktion hemmt die Differenzierung und Reifung von Osteoklasten aus den Vorläuferzellen und stört Funktion und Überleben dieser knochenabbauenden Zellen. In der Folge nimmt die Knochenresorption deutlich ab. »Möglicherweise hat Denosumab auch eine Zukunft in der Onkologie, etwa bei Brustkrebs«, so Morck. Studien laufen bereits.

 

Mit Fingolimod kam vor Kurzem das erste peroral bioverfügbare Medikament für MS-Patienten auf den Markt. Der Wirkstoff ist auch erster Vertreter einer neuen Arzneistoffklasse mit immunmodulierendem Wirkmechanismus. Es ist ein sogenannter Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptormodulator. Zugelassen ist Fingolimod bei Patienten mit hoher Krankheitsaktivität trotz Behandlung mit Interferon beta und bei Patienten mit rasch fortschreitender schwerer schubförmig-remittierender MS. Morck zufolge konnte gezeigt werden, dass die Substanz die Autoaggressivität der Lymphozyten in Gehirn und Rückenmark hemmen kann. Zu beachten sei das Infektionsrisiko. So wurde in Studien zum Beispiel eine erhöhte Herpes-Infektionsrate beobachtet.

 

Informationen zu den weiteren neuen Arzneistoffen finden Sie hier.

 

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa