Gold ist nicht Goldstandard |
08.06.2010 12:52 Uhr |
Auf dem Gebiet der rheumatoiden Arthritis (RA) hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Auch Goldverbindungen kommen noch zum Einsatz, Goldstandard ist aber Methotrexat. Eine wichtige Therapieoption stellen heute die verschiedenen Biologika dar. Zuverlässig und risikolos? Welches Resümee kann man mehr als zehn Jahre nach der ersten Markteinführung ziehen, und was ist noch Zukunftsmusik?
»Etwa 0,5 bis 1 Prozent der Bevölkerung erkranken an rheumatoider Arthritis«, sagte Professor Dr. Ulf Müller-Ladner von der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim. Der Beginn der Erkrankung zeige sich meistens als Erstes an Händen und Füßen. Damit der Arzt eine eindeutige Diagnose stellen kann, müssen aber noch weitere Kriterien, unter anderem bezogen auf Laborwerte, erfüllt sein. Müller-Ladner betonte, dass es vor allem auf eine frühe Diagnose und Therapie ankommt.
Foto: Roche
»Wenn man es nach der Diagnose einfach so laufen lässt, ist das Skelett in ein paar Jahren zerstört.« Der Mediziner bemängelte, dass in Deutschland zu viel Zeit verstreicht, bis ein Patient tatsächlich therapiert wird. Das erschwere dann auch, das oberste Therapieziel zu erreichen, den Patienten in Remission zu bekommen. Das sei übrigens unabhängig davon, welche Medikamente der Patient erhält. Ein früher Therapiebeginn sei immer wichtig. Zweite Anforderung ist eine hohe Compliance. Wird beides erfüllt, dann ist in vielen Fällen die vollständige Remission erreichbar, so der Referent.
Neue Targets in Sicht
Die Arzneistoffpalette ist groß, in den vergangenen Jahren zunehmend unübersichtlich geworden und wird vermutlich weiter wachsen. Aber auch Glucocorticoide sind dem Referenten zufolge trotz der vielen Neuentwicklungen am Markt essenziell. Hinzu komme, dass auch bei den Corticoiden an neuen Entwicklungen intensiv geforscht werde, etwa an liposomalen Formulierungen.
Zu den intrazellulär angreifenden Substanzen zählt der heutige Goldstandard Methotrexat (MTX), der den Folsäurestoffwechsel hemmt. Eine gleichwertige Wirksamkeit habe der Dihydroorotatdehydrogenase-Hemmer Leflunomid. Demnächst könnten mit den sogenannten Januskinase-Inhibitoren (JAK 2/3-Inhibitoren) weitere Substanzen mit intrazellulärem Angriffspunkt auf den Markt kommen, so Müller-Ladner.
»Bei vielen Patienten reicht MTX aus, sie brauchen keine Biologika«, sagte der Mediziner. Wenn die traditionellen Basismedikamente aber mehrere Monate keine Wirkung zeigen oder der Patient sie nicht verträgt, dürfen und sollten die deutlich teureren Medikamente aber zum Einsatz kommen. Dazu gehören zum Beispiel der gegen B-Zellen gerichtete Anti-CD20-Antikörper Rituximab und das Fusionsprotein Abatacept, das die intrazelluläre Kommunikation hemmt und gegen T-Zellen gerichtet ist.
Schlummernde Keime
Auf extrazellulärer Ebene wirken die TNF-α-Hemmer Ethanercept, Infliximab, Adalimumab, Certolizumab und Golimumab, der Interleukin-1-Hemmer Anakinra und der Interleukin-6-Hemmer Tocilizumab. TNF-α und Interleukin-6 bezeichnete Müller-Ladner als pluripotente Moleküle. Wenn ich sie blockiere, kann das einen Nutzen haben, aber möglicherweise auch schaden. »TNF-α-Hemmer induzieren keine soliden Tumoren, aber bei Lymphomen gibt es kleine Steigerungsraten«, sagte der Mediziner. Bekannt ist auch, dass im Körper schlummernde Erreger, etwa das Mycobacterium tuberkulosis, unter Biologika-Therapie reaktiviert werden. Deshalb sei es wichtig, vor allem zu Beginn der Therapie auf mögliche Infektionen zu achten und vorher einen Tuberkulosetest zu machen.
Abschließend äußerte sich der Referent zu Therapiealternativen, etwa Teufelskrallepräparaten. Schaden würden sie nicht, bei einem Doppelblindversuch würde man aber auch keinen Unterschied zu Placebo erkennen, so das Fazit von Müller-Ladner.