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Neuro-Enhancement

Fraglicher Nutzen, viele Risiken

Datum 08.06.2010  13:04 Uhr

Das Thema Neuro-Enhancement ist hoch aktuell und wird emotional aufgeladen diskutiert. Wie verbreitet ist der Missbrauch von Arzneistoffen bei Gesunden, und ist »Gehirn-Doping« wirklich verwerflich?

Der Philosoph und Chemiker Dr. Thorsten Galert, Bad Neuenahr-Ahrweiler, zog ein klares Fazit: Der eigentliche Skandal seien nicht die Substanzen selbst, sondern das überzogene Leistungsdenken der Gesellschaft, das gesunde Menschen zu deren Gebrauch veranlasse. Zudem sei es wissenschaftlich nicht gesichert, ob die Psychopharmaka Geist und Psyche Gesunder so anregen wie erhofft: »Die Präparate haben wahrscheinlich keinen Nutzen, aber Risiken.«

Der Philosoph von der Europäischen Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen (www.ea-aw.de) stellte eine wissenschaftliche Übersichtsarbeit vor, die von einer Forschergruppe entwickelt und 2009 veröffentlicht wurde. Die Gruppe definiert das pharmazeutische Neuro-Enhancement als Methoden zur »Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit oder psychischen Befindlichkeit, mit denen keine therapeutischen oder präventiven Absichten verfolgt werden und die pharmazeutische oder neurotech­nische Mittel nutzen«. Bewusst wandte Galert sich gegen den Begriff »Hirndoping«; damit weckten Kritiker bewusst Assoziationen zum verbotenen Doping, beispielsweise im Sport.

 

Zum kognitiven Enhancement werden (aus dem verschreibungspflich­tigen Arzneispektrum) Methylphenidat, Modafinil und Antidementiva wie Donepezil genutzt (»Smart Pills«). Zum emotionalen Enhance­ment dienen Antidepressiva wie SSRI (»Happy Pills«). Für den Über­sichtsartikel bewerteten die Forscher strukturiert wissenschaftliche Studien zum Einsatz der Arzneistoffe bei Gesunden. Deren Effekte waren äußerst begrenzt. Zwei Beispiele: Für MPH war zwar eine statistisch signifikante Verbesserung für die Gedächtnisfunktion, vor allem das räumliche Arbeitsgedächtnis nachweisbar, nicht jedoch für weitere Neuro-Enhancement-Effekte. Modafinil wirkte nur schwach positiv auf die Aufmerksamkeit. Bei leichtem Schlafentzug waren die Effekte deutlicher; bei längerem Schlafentzug ließ die Leistungsfähig­keit nach, doch die Probanden tendierten zur Überschätzung ihrer Fähigkeiten.

 

Angesichts des schlechten Nutzen-Risiko-Verhältnisses der Arzneistoffe bei Gesunden nannte Galert deren Einsatz »schockierend«. In amerikanischen Colleges soll die Rate der Nutzer bei 3 bis 11 Prozent liegen; gemäß DAK-Gesundheitsreport betreiben 2 Prozent regelmäßig Neuro-Enhancement am Arbeitsplatz. Nach einer Umfrage des Bundesbildungsministeriums taten dies 3 Prozent der Schüler und Studenten. 80 Prozent würden pharmazeutisches Neuro-Enhancement nicht beanstanden, wenn die Präparate frei verfügbar, potent und nebenwirkungsfrei wären.

 

»Was spräche dann gegen eine Nutzung?«, fragte der Philosoph. Ein großes Problem sei die Sucht- und Abhängigkeitsgefahr. »Wenn die Präparate tatsächlich zu körperlicher Abhängigkeit führen, wäre dies ein starkes Argument gegen die Nutzung.« Das Risiko psychischer Abhängigkeit sei ebenfalls bedenkenswert, wirke aber normativ nicht ebenso schwer. Dabei gehe es eher um Fragen des »gelingenden Lebens«, die der Einzelne sich stellen sollte.

 

Neuro-Enhancement wirft auch gesellschaftliche Fragen auf, zum Beispiel könnte es die soziale Gerechtigkeit bedrohen. Wenn sich die Kluft zwischen Arm und Reich durch die teuren, selbst zu zahlenden Präparate erheblich vergrößern sollte, hätte der Staat sogar die Pflicht, dieser Entwicklung zu begegnen. Galert: »Es gibt aber keine Berechtigung, solche Maßnahmen präventiv zu treffen.« Auch ein »kollektiver Nötigungsdruck« könnte entstehen. Dies bedeutet, dass Bürger die Präparate einnehmen, um »mithalten« zu können, obwohl sie dies eigentlich ablehnen.

 

Für den Philosophen liegt das eigentliche Problem in der Leistungsgesellschaft und ihren überzogenen Ansprüchen. Wenn viele Menschen gegen Neuro-Enhancement argumentierten, zeige dies ihr Unbehagen gegenüber einer Gesellschaft, in der Menschen nur aufgrund von Leistung zählen.

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