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Pädiatrische Arzneiformen

Alte Denkmuster durchbrechen

01.06.2016  09:46 Uhr

Flüssige Darreichungsformen galten lange als ideal für Kinder, Tabletten hatten es dagegen schwer in der Pädiatrie. Mit den neuen orodispersiblen Minitabletten könne nun ein Paradigmenwechsel Einzug in die Kinderheilkunde halten, hofft Professor Dr. Jörg Breitkreutz von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf.

»Es sieht so aus, als hätten wir lange Zeit auf das falsche Pferd gesetzt«, sagte der pharmazeutische Techno­loge. Einer eigenen Erhebung zufolge sind Minitabletten den flüssigen Darreichungsformen in puncto Akzeptanz bei kleinen Kindern deutlich überlegen (DOI: 10.1016/j.jpeds.2013. 07.014). Das Ergebnis sei überraschend. »Offenbar haben wir das Potenzial der Minitabletten bislang unterschätzt.«

 

An der randomisierten Cross-over-Studie nahmen 306 Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und fünf Jahren teil. Sie erhielten nacheinander einen wirkstofffreien Sirup und wirkstofffreie Minitabletten mit und ohne Filmüberzug. »Die Kinder tolerierten die Tabletten wesentlich besser als den Sirup – egal, ob mit oder ohne Film«, fasste Breitkreutz zusammen. Vor allem die jüngeren Probanden profitierten von den festen Arzneiformen: »Kleine Kinder haben noch nicht gelernt zu kauen, bevor sie schlucken. Das hat in diesem Fall geholfen.«

 

Veraltete Empfehlungen der EMA

 

Breitkreutz plädierte dafür, dass nun die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) ihre Empfehlungen anpasst. Ein Gremium der Behörde aus 40 Experten hatte im Jahr 2006 feste Darreichungsformen als nicht geeignet für Kinder eingestuft. »Diese Einschätzung beruhte in erster Linie auf theoretischen Überlegungen, die wir jetzt in der Praxis widerlegen konnten.« Die Befürchtung, Kinder könnten sich an Tabletten verschlucken, habe sich nicht bestätigt. Große Pharmakonzerne wie Novartis hätten bereits auf die neuen Erkenntnisse reagiert und die Entwicklung flüssiger Arzneiformen für Kinder eingestellt.

 

Die Zukunft stellen laut Breitkreutz orodispersible Minitabletten (ODMT) dar. Sie seien die idealen Darreichungsformen für Kinder. Durch den Zusatz sogenannter Super-Sprengmittel zerfielen sie innerhalb weniger Sekunden in der Mundhöhle, seien aber nicht so zerbrechlich wie durch Gefriertrocknung hergestellte Lyophilisate. Demnach zeichnen sie sich durch eine hohe Stabilität während des Transports und der Lagerung aus, setzen den Wirkstoff nach der Verabreichung aber sehr schnell frei. Zudem könne durch das Auflösen der ODMT in einer definierten Flüssigkeitsmenge die Dosis für jedes Kind individuell angepasst werden. »So wären künftig 100 Prozent aller kleinen Patienten therapierbar«, glaubt Breitkreutz.

 

Während Super-Sprengmittel im Kommen sind, könnte dem Referenten zufolge eine andere Hilfsstoffgruppe bald der Vergangenheit angehören. »Wir wissen heute, dass Propylparaben am Estrogenrezeptor aktiv ist«, sagte er. Auf europäischer Ebene gebe es derzeit Bestrebungen, Parabene in Arzneimitteln zu verbieten, die bei Kindern unter zwei Jahren zur Anwendung kommen.

 

Todesurteil für die Parabene

 

Aus seiner Sicht würde eine solche Regelung das Todesurteil für diese Stoffe bedeuten. »Die Hersteller wünschen sich natürlich einen möglichst breiten Zulassungsbereich für ihre Medikamente. Wenn das Verbot kommt, werden sie sich nach alternativen Konservierungsmitteln für ihre Zubereitungen umschauen.« Der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA (CHMP) hatte im Oktober den Einsatz von Parabenen bewertet. Das Ergebnis: Vor allem in pädiatrischen Formulierungen zur oralen Applikation sollte auf diese Stoffe wenn möglich verzichtet werden.

 

Bislang herrschten in den verschiedenen Ländern völlig unterschiedliche Meinungen zur Toxizität von Propyl­paraben, so Breitkreutz. »In den USA ist es derzeit noch in fast allen Kinderarzneimitteln enthalten.« Die Beurteilung des CHMP – die erste ihrer Art – könnte aber jetzt für ein Umdenken sorgen. »Ich bin mir ganz sicher, dass die Parabene vom Markt verschwinden werden.«

 

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