Giganten der Grafik |
08.05.2012 13:09 Uhr |
Von Ulrike Abel-Wanek, Ingelheim / 1966 widmeten die Internationalen Tage in Ingelheim Francisco de Goya bereits eine Einzelausstellung. Jetzt ist der Meister der Radierkunst mit zwei weiteren der ganz Großen der grafischen Künste hier zu sehen: Dürer und Rembrandt.
Es geht los mit Albrecht Dürer (1471 bis 1528) und einer Lupe. Nach einer Einführung in die verschiedenen Drucktechniken im ersten Raum des Alten Ingelheimer Rathauses präsentiert der »Dürer-Raum« eine Auswahl der schönsten und bekanntesten Blätter des Künstlers: »Adam und Eva«, ein Kupferstich von 1504, ist das Ergebnis seiner intensiven Proportionsstudien während einer Italienreise.
Die drei sogenannten Meisterstiche »Der Reiter«, »Hieronymus im Gehäus« und »Melancholie« sind Höhepunkte seines grafischen Schaffens. »Obwohl Dürer auch in anderer Beziehung zu bewundern ist, doch was drückt er nicht alles in einfarbigen schwarzen Linien aus«, so Erasmus von Rotterdam 1528 bewundernd über den Künstler. Und so greift der Besucher wie ein Detektiv zur am Eingang bereit liegenden Lupe, damit ihm kein Detail der genialen Bild-Kompositionen entgeht – beispielsweise die winzig kleine Ziege auf dem Felsvorsprung im Bildhintergrund, die den baldigen »Absturz« von »Adam und Eva« durch den Sündenfall symbolisiert. Dürer perfektioniert Holzschnitt und Kupferstich und erreicht eine bis dahin unbekannte technische Brillanz und Meisterschaft. Sein merkantiler Spürsinn sorgt außerdem für die Verbreitung seiner Grafiken in weiten Teilen Europas – das berühmte Monogramm »AD« wird schon zu Lebzeiten ein internationales Markenzeichen.
Ein bisschen Rembrandt zum günstigen Preis
Auf Dürer folgt ein Jahrhundert später Rembrandt (1606 bis 1669). Als erster Künstler seiner Zeit vollzieht er konsequent den Schritt vom Kupferstich zur bis dahin verschmähten Radierung.
Hierbei wird das Bild in einen weichen Ätzgrund auf einer Kupferplatte gezeichnet. Rembrandt kombiniert virtuos die Techniken der Ätzung, der Kaltnadel und des Grabstichels auf ein und derselben Platte und erreicht damit eine verblüffende »Lebensnähe« in seinen Bilddarstellungen. Wie Dürer ist auch er zu Lebzeiten schon erfolgreich und vermögend, seine Bilder verkaufen sich bis nach England, Frankreich und Italien. Die Original-Druckplatte für die durch ihren hohen Preis als »Hundertguldenblatt« berühmt gewordene Grafik »Christus heilt die Kranken« gerät nach seinem Konkurs in die Hände des geschäftstüchtigen irisch-englischen Amateurgrafikers William Baillie (1723 bis 1810). Er zerschneidet die Platte und verkauft Auszüge des seltenen und teuren Blattes für einen erschwinglichen Preis.
Goya (1746 bis 1828), der dritte Gigant der grafischen Künste, ist der Jüngste unter den Alten Meistern. Wie Dürer und Rembrandt ist er künstlerisch neue Wege gegangen, hat die Radierkunst seines Vorbildes und Lehrmeisters Rembrandt verfeinert und sich an die noch wenig erprobte Technik der Aquatinta herangewagt, die eher auf eine flächige Darstellung und weniger auf die einzelne Linie setzt.
Goya litt an einer schweren, bis heute nicht analysierten Krankheit, die ihn teilweise zu Bettlägerigkeit und Untätigkeit zwang und, nach schweren Schwindelanfällen, eine nahezu völlige Taubheit zur Folge hatte. Dennoch schuf er die wunderbaren »Caprichos«, auf Deutsch »launige Einfälle«, eine Folge von 80 Radierungen, von denen in Ingelheim 23 zu sehen sind.
Der spanische Goya-Forscher Lafuente Ferrari nennt als Hauptthemen der Caprichos: Gesellschaftskritik, Erotik aller Schattierungen, Hexenkunst und Aberglauben. Der Künstler treibt hier die menschlichen Schwächen malerisch auf die Spitze und schreckt auch vor Anspielungen auf den königlichen Hof nicht zurück. /
Internationale Tage – ein Kulturengagement von Boehringer Ingelheim: Dürer, Rembrandt, Goya. Drei Giganten der grafischen Künste. 1. Mai bis 8. Juli 2012. Öffnungszeiten, Preise und Katalog unter www.internationale-tage.de