Mehr Verantwortung für die Apotheker |
04.05.2010 16:26 Uhr |
Hat die Apotheke eine Zukunft? CDU-Abgeordneter Jens Spahn meint eindeutig »ja«. Veränderungen wird es aber geben. Er forderte die Apotheker auf, sich mehr in die Diskussion einzubringen.
»Gesundheitspolitik ist und bleibt in erster Linie Sozialpolitik«, sagte Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU. »Sie ist aber auch Wirtschaftspolitik.« Angesichts knapper Kassen muss das bestehende Versicherungssystem auf die Dauer umgebaut werden. Spahn forderte eine breitere, von den Arbeitskosten losgelöste Finanzierungsbasis, um unabhängig von der Konjunktur zu werden. Beim Sparen habe die Regierung momentan die Arzneimittel-Preispolitik im Blick.
Jens Spahn: »Wir brauchen Apotheken für die flächendeckende, sichere und qualitativ gute Arzneimittelversorgung.«
Vergangene Woche habe das Kabinett beschlossen, die Eckpunkte von Bundesgesundheitsminister Philipp Röslers Sparpaket umzusetzen. Dazu gehört eine Erhöhung des Herstellerrabatts von 6 auf 16 Prozent zum 1. August sowie ein ab dann 3,5 Jahre gültiges Preismoratorium. Mit diesem »Pharma-Soli« könnten kurzfristig 1,5 bis 2 Milliarden Euro gespart werden. Spahn betonte jedoch auch die Notwendigkeit langfristig wirksamer Maßnahmen. Dazu gehören für ihn Preisverhandlungen zwischen Krankenkassen und Herstellern. Letztere müssten nach spätestens fünf Jahren den größeren Nutzen neuer Präparate gegenüber bestehenden Therapien nachweisen.
Dabei könnten auch die Apotheker dank ihres pharmakologischen Wissens mitdiskutieren. Ebenso, wenn es um die Betreuung von Patienten gehe. »Wir brauchen Apotheken für die flächendeckende, sichere und qualitativ gute Arzneimittelversorgung im 21. Jahrhundert«, sagte Spahn. Wenn man über Ärztemangel und die drohende Mangelversorgung im ländlichen Raum spreche, sei zu überlegen, wie die Institution Apotheke ihre Rolle für die Patienten ausweiten könnte. »Jenseits der reinen Produktion und Abgabe der Arzneimittel benötigen wir einen gemeinschaftlichen Versorgungsauftrag aller Beteiligten«, forderte Spahn. Er begrüße es, wenn die Apotheker sich mehr mit Vorschlägen einbrächten, zum Beispiel beim Versorgungsmanagement. »Kämpfen Sie keine verlorenen Schlachten«, sagte Spahn im Hinblick auf den Versandhandel. Während Pick-up-Stellen möglichst bald abgeschafft werden sollen, werde der Versandhandel bleiben. Über die Rahmenbedingungen könne man jedoch diskutieren.
Ein Beispiel für ein gelungenes Projekt zum Versorgungsmanagement stellte Professor Dr. Dorothee Gänshirt von der European Health Care Foundation vor. Die Stiftung bietet eine Ausbildung zum Coach für Typ-2-Diabetes an. Eine Studie hätte gezeigt, dass dies die Patienten in ihrer Selbstbestimmung stärkt. Die Apotheke profitiere unter anderem, indem sie sich besser positioniert. Gelinge der Nachweis, dass solche Projekte besser und günstiger sind, seien die Krankenkassen in der Verantwortung, sich damit auseinanderzusetzen, sagte Spahn in der anschließenden Podiumsdiskussion. Harald Möhlmann von der AOK Berlin-Brandenburg sagte, dass die AOK durchaus Interesse an solchen Projekten hätte. »Wir brauchen aber die Freiheit zum Experimentieren«, forderte er. Er wünscht sich auch vergaberechtliche Klarheit für solche Versorgungsaufträge. Dr. Peter Homann, stellvertretender DAV-Vorsitzender, warf ein, dass es zwar schon eine Reihe solcher Leuchtturmprojekte in Apotheken gebe. Zurzeit fänden jedoch noch viele Auseinandersetzungen zwischen Krankenkassen und Apothekern statt (zum Beispiel wegen Retaxierungen), um konstruktiv zusammenzuarbeiten. Andere effektive Projekte, wie der Barmer-Hausapotheken-Vertrag, hätten sich leider nicht durchgesetzt.
Möhlmann sah viele Möglichkeiten für Kooperationen zwischen Versicherungen und Apotheken. »Und für vernünftige Qualität bezahlen wir auch«, versicherte er. Homann wiederum wünschte sich Wettbewerb um Qualität, nicht um den Preis. Gänshirt konnte aus ihren Erfahrungen berichten, dass die Apotheker hoch motiviert und engagiert seien, was das Versorgungsmanagement angehe. Sie mit einzubeziehen, liege sehr nah. In jedem Fall sei zu berücksichtigen, was der einzelne Patient umsetzen könne. Sonst könne jedes scheinbar noch so hilfreiche Projekt nicht erfolgreich sein.