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Zuzahlungen

Ausschuss diskutiert über Abschaffung

19.04.2011  17:13 Uhr

Von Stephanie Schersch, Berlin / Der Gesundheitsausschuss im Bundestag hat über Praxisgebühr und Zuzahlungen debattiert. Die Linke will sie abschaffen, Sozialverbände begrüßen den Vorstoß. Auch die Ärzte sind dafür und schlagen stattdessen eine prozentuale Beteiligung der Patienten vor.

Die Abgeordneten der Fraktion Die Linke sehen mit Zuzahlungen und Praxisgebühr das Solidaritätsprinzip verletzt. In einem Antrag fordern sie daher die Abschaffung aller Zuzahlungen, die Patienten erbringen. Sie seien unsozial und würden vor allem Geringverdiener von Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausschließen, heißt es in dem Papier.

2004 wurden die Praxisgebühr und eine Reihe weitere Zuzahlungen, etwa für Krankenhausaufenthalte und viele Arzneimittel, eingeführt oder deutlich erhöht. Sie bringen Geld in das System der GKV, sollen aber vor allem steuernd wirken. Muss der Patient extra für eine Leistung zahlen, wird er sie nur dann in Anspruch nehmen, wenn er sie auch wirklich braucht, so die Annahme. Genau diese Wirkung würden Zuzahlungen aber nicht erzielen, schreiben die Linken in ihrem Antrag. Das sei auch nicht verwunderlich, »weil die Nachfrage nach medizinisch notwendigen Maßnahmen meist nicht von den Patienten gesteuert wird, sondern vor allem von der ärztlichen Verordnung abhängt«.

 

Dort, wo tatsächlich der Versicherte selbst entscheide, würden Geringverdiener benachteiligt, etwa bei der Frage ob ein Arztbesuch verbunden mit der Praxisgebühr erforderlich ist oder nicht. Patienten mit geringem Einkommen würden medizinisch notwendige Leistungen häufig aufschieben, weil sie sich diese nicht leisten könnten oder wollten, heißt es bei der Linkspartei. Damit verschlechtere sich der gesundheitliche Zustand, langfristig würden auch die Kosten im Gesundheitssystem steigen.

 

Würden die Zuzahlungen abgeschafft, fehlten den Krankenkassen rund fünf Milliarden Euro, zwei Milliarden allein aufgrund der fehlenden Praxisgebühr. Als Ausgleich schlagen die Linken vor, die Beitragsbemessungsgrenze der Gesetzlichen Krankenversicherung auf das Niveau der Rentenversicherung anzuheben. Auch die Versicherungspflichtgrenze soll steigen, »um das Abwandern in die Private Krankenversicherung zu erschweren«. In der GKV würden Beiträge dann künftig auf ein Monatseinkommen bis zu 5500 Euro erhoben – heute liegt die Grenze bei etwas mehr als 3700 Euro. »Der Höchstbeitrag für Versicherte steigt damit auf 852 Euro«, sagte Michael Weller vom GKV-Spitzenverband bei einer öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss.

 

Dr. Volker Hansen vom Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände warnte angesichts dieser Zahlen vor steigenden Lohnnebenkosten. Zudem würden Höchst- und Mindestbeitrag zur GKV in keinem Verhältnis mehr zueinander stehen. »Das ist eine Überstrapazierung des Solidarprinzips«, sagte Hansen. Fielen die Zuzahlungen ohne eine Anhebung der Bemessungsgrenze weg, müsste der allgemeine Beitragssatz um 0,5 Prozentpunkte steigen, um so den Verlust der fünf Milliarden Euro aufzufangen, rechnete Weller vor. »Alternativ müssten alle Kassen auf einen Schlag 8 Euro Zusatzbeitrag von ihren Versicherten verlangen.«

 

Viele Patienten würden in Zuzahlungen wie der Praxisgebühr dennoch eine Zumutung sehen, sagte Dr. Alfred Spieler vom Bundesverband der Volkssolidarität. »Niemand geht schließlich aus Jux zum Arzt, sondern weil es notwendig ist.« Eigenbeteiligungen würden damit vor allem kranke Menschen belasten.

 

Auch die Ärzte wären froh, wenn die Praxisgebühr bald der Vergangenheit angehörte. »Die Gebühr hat heute keine Steuerungswirkung mehr«, sagte Stefan Gräf von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). In den Praxen sorgten Zuzahlungen außerdem für jede Menge Bürokratie. Ganz ohne Steuerung und Eigenbeteiligung geht es nach Ansicht der KBV aber nicht. Sie schlägt daher eine spürbare prozentuale und einheitliche Zuzahlung der GKV-Versicherten vor, die allerdings »sozial abgefedert« sein soll. Einkommensschwache und chronisch kranke Patienten würden demnach weniger stark belastet.

 

Wie Zuzahlungen tatsächlich wirken ist umstritten. Die Datenlage in Deutschland sei schwer zu bewerten, sagte der Gesundheitswissenschaftler Dr. Jens Holst. Dafür gebe es Studien im europäischen Ausland. »Dort zeigt sich deutlich, dass Zuzahlungen nicht dazu taugen, wofür sie eingesetzt werden«, so Holst. Patientenbeteiligungen steuerten nur vorübergehend.

 

Dabei gebe es auch unterwünschte Entwicklungen. »Menschen mit geringem Einkommen nehmen Leistungen häufig nicht in Anspruch.« Bei chronisch Kranken würden Zuzahlungen die Therapietreue gefährden, das verursache Kosten. »Der Glaube an Einsparungen durch Zuzahlungen ist ein Irrglaube«, sagte Holst. / 

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