Pharmazeutische Zeitung online
Gerontolgie

Moleküle als Motor des Alterns

20.04.2010  15:12 Uhr

Von Bettina Sauer, Berlin / Spezielle Zucker-Eiweiß-Verbindungen scheinen Alterungssprozesse anzukurbeln. Sie könnten sich als Biomarker und Zielstrukturen für Medikamente eignen, hieß es auf einer Pressekonferenz. Diese informierte zudem über Einsatz von Weißdorn-Extrakten bei altersbedingter Herzschwäche.

Kein Tag vergeht, ohne dass Menschen ein bisschen älter werden. Aber warum? Was passiert dabei biologisch? Und lässt sich der Vorgang womöglich aufhalten? »Mit diesen zentralen Fragen beschäftigen sich Wissenschaftler überall auf der Welt«, sagte Professor Dr. Andreas Simm, Leiter der Forschungsabteilung der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie an der Universität Halle, bei einer Pressekonferenz des Pharmaunternehmens Dr. Willmar Schwabe Arzneimittel im März in Berlin. Inzwischen gebe es eine Fülle von Alternstheorien – »in etwa so viele wie Alternsforscher«. Keine von ihnen reiche allein, um die komplexen Alterungsprozesse zu erklären. »Vielmehr scheinen sich viele Ansätze sinnvoll zu ergänzen.« Einen Überblick gab die Pharmazeutische Zeitung kürzlich in einer Schwerpunkt-Ausgabe zum Thema Alter (siehe dazu Gerontologie: Dem Altern auf der Spur, PZ 11/2010).

Stellvertretend berichtete Simm den Journalisten über einen Forschungsschwerpunkt seiner eigenen Arbeitsgruppe, die sogenannten »Advanced Glycation Endproducts« (AGE): »Sie entstehen ständig überall im Körper durch eine relativ einfache chemische Reaktion, nämlich die nicht-enzymatische Verbindung von Eiweiß- und Zuckermolekülen.« Zudem würden AGEs mit der Nahrung aufgenommen. »Sie reichern sich im Laufe des Lebens im Organismus an und schädigen ihn durch unterschiedliche Mechanismen.« Unter anderem führten sie zur Bildung freier Sauerstoffradikale, zur Entstehung von Entzündungsprozessen und zur Quervernetzung von Proteinen, was Herz-, Gefäß- und andere Gewebe versteifen lasse. »AGEs spielen Untersuchungen zufolge eine wichtige Rolle bei altersassoziierten Erkrankungen, wie etwa Typ-2-Diabetes, Alzheimer, Grauem Star und Herzschwäche.« So belegten Simm und Kollegen anhand einer klinischen Studie mit 75 herzoperierten Patienten, dass mit zunehmendem Alter die AGE-Konzentration in der Flüssigkeit des Herzbeutels steigt, was umgekehrt die Herzfunktion immer weiter sinken lässt. Die Ergebnisse erschienen 2007 im Fachjournal »Experimental Gerontology« (Doi:10.1016/j.exger.2007.03.006).

 

»Solche Erkenntnisse machen AGEs als Zielstruktur für Therapien interessant«, berichtete Simm. So hätte der Wirkstoff ALT-711 (vom US-Unternehmen Alteon), der AGE-vermittelte Protein-Quervernetzungen aufbricht, in Tierversuchen die Herzfunktion deutlich verbessert. Allerdings erbrachten klinische Studien an Menschen – zumindest bislang – nicht die erhofften Erfolge. »Aber es laufen mehrere andere präklinische und klinische Studien zu AGE-bezogenen Arzneimitteltherapien«, sagte Simm. »Zudem scheinen sich AGEs als Biomarker zu eignen, um das individuelle biologische Alter eines Menschen zu bestimmen.« So gebe es inzwischen eine Fluoreszenzmethode, die die AGE-Konzentration in der Haut am Unterarm erfasse. Dieses unblutige Verfahren haben Simm und Kollegen schon an über 800 Menschen aus dem Raum Halle erprobt. »Demnach steigt die gemessene Hautfluoreszenz tatsächlich proportional zum Alterungsprozess, was sich zudem durch weitere Faktoren verstärken oder abmildern lässt.« So maßen Simm und Kollegen bei Rauchern und Diabetikern deutlich höhere AGE-Konzentrationen als beim Durchschnitt der Teilnehmer. Umgekehrt zeigten sich bei Personen, die regelmäßig Sport treiben, auffällig niedrige Werte. Diesen Effekt bestätigte Simms Team in einer zweiten Studie mit 98 Teilnehmern. Den noch unveröffentlichten Daten zufolge, lassen schon wenige Wochen Fitnessstudio die AGE-Konzentrationen von vormals untrainierten Menschen deutlich sinken. Deshalb gab sich Simm überzeugt: »Körperliche Aktivität kann Alterungsprozesse verlangsamen oder sogar umkehren. Es ist dafür nie zu spät.«

 

Natürliche Kraft fürs alternde Herz

 

Diese Einschätzung bestätigte auch Professor Dr. Peter Gündling, Studiendekan für Naturheilkunde an der Hochschule Fresenius Idstein und Facharzt für Allgemeinmedizin mit eigener Praxis. Ihm zufolge halten weitere gesundheitsfördernde Maßnahmen den Körper jung, nämlich eine ausgewogene Ernährung und Normalisierung des Gewichts, die Meidung von Genussgiften sowie regelmäßige Entspannung und genügend Schlaf. »Bei Patienten mit leichter altersbedingter Herzschwäche empfehle ich als Naturheilkundler außerdem die Einnahme von Weißdorn.« Denn die in der Apotheke erhältlichen monographiekonformen Crataegus-Extrakte steigerten die Pumpkraft des Herzens und besserten typische Symptome der Herzinsuffizienz wie Kurzatmigkeit und Erschöpfbarkeit. Bei dieser Aussage stützte sich Gündling auf eine Cochrane-Analyse der bestehenden klinischen Studien zum Thema, die Edzard Ernst und Kollegen von der britischen University of Exeter and Plymouth 2008 veröffentlichten (Doi:10.1002/14651858.CD005312.pub2).

 

Zudem stellte Gündling den Journalisten Ergebnisse einer eigenen Patientenbefragung vor. Daran nahmen 60 über 50-jährige Personen teil, die alle an leichter Herzinsuffizienz litten. 40 von ihnen nahmen deshalb seit mindestens drei Monaten Weißdorn-Präparate ein. Sie scheinen Gündling zufolge weniger unter den typischen Symptomen der Herzinsuffizienz – wie etwa Atemnot, Herzrasen, Müdigkeit, Schwindel und Übelkeit – zu leiden als die Kontrollgruppe. »Viele von ihnen verwenden schon seit Jahren Crataegus-Extrakte und sind bereit, sie aus eigener Tasche zu finanzieren.« Auch das spreche eindeutig für den individuell wahrnehmbaren Nutzen der Präparate. /

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