Krebstherapie mit Fernzünder |
19.04.2010 18:48 Uhr |
Von Elke Wolf, Wiesbaden / Bei der nanogestüzten Thermotherapie spritzen Mediziner mit Eisenoxid beladene Nanopartikel direkt in den Hirntumor, erwärmen diese von außen mit einem Elektromagneten, und die Krebszellen sterben ab. Erste klinische Studien sind erfolgversprechend.
Der Biologe Dr. Andreas Jordan von der Berliner Charité präsentierte auf dem Internistenkongress in Wiesbaden erste Studienergebnisse mit 60 Glioblastom-Patienten. Alle Betroffenen waren austherapiert, nach der Standardtherapie mit Operation, Chemotherapie und Bestrahlung gab es keine weiteren Behandlungsoptionen mehr. Dazu spritzte Jordan seinen Patienten ohne Narkose eine Nanopartikel enthaltende Flüssigkeit direkt in den Hirntumor, jedes Teilchen nicht größer als 15 nm. Die mit feinsten Nadeln injizierten Nanokügelchen besitzen einen Eisenoxidkern, der von Zuckermolekülen (Dextran) umhüllt ist. Die Zuckerummantelung trägt dazu bei, dass sich die Tumorzellen regelrecht mit den eisenhaltigen Nanopartikeln vollsaugen und nicht wieder ausgeschwemmt werden. Gesunde Zellen reichern sich dagegen nicht mit diesen Nano-Trojanern an.
Dann erzeugte der Forscher im Kopf seiner Patienten kontaktlos ein magnetisches Wechselfeld. Die eisenhaltigen Nanoteilchen wechseln daraufhin im Tumor ständig ihre Ausrichtung, die Partikel geraten in Schwingung, werden heißer und heißer und wirken quasi wie ein Tauchsieder. Während die Temperatur im gesunden Gewebe um den Tumor herum nur unwesentlich ansteigt, klettert sie im Tumor auf rund 50 °C. Die Zelle stirbt an den Folgen der Überhitzung.
Jordan zufolge lebten die so behandelten Patienten im Mittel noch 13,4 Monate. Bei Patienten, die nur mit der Standardtherapie versorgt werden, liegt die mittlere Überlebenszeit bei 6,2 Monaten. Jordan legte Wert darauf, dass es sich um Mittelwerte handelt. Es gebe Patienten in seiner Studie, die noch sechs bis sieben Jahre nach dieser Therapie lebten.
Bislang scheiterte die Thermotherapie von Krebs daran, dass ein Großteil der Hitze, die man von außen zuführte, von der Körperoberfläche aufgenommen wird und nicht gezielt im Tumor ankommt. Mit den Nanopartikeln schafft es Jordan, isoliert den Tumor in den Hitzetod zu treiben und den Rest des Körpers unbeschadet zu lassen. Zudem erhitzen sich die winzigen Eisenoxidpartikel, die Jordan testet, viel stärker als es größere Teilchen tun würden. Und auch Eisenoxid selbst hat einen entscheidenden Vorteil: Es ist magnetisierbar, aber nicht magnetisch. Denn sonst würden die Nanokügelchen aneinander kleben und sich nicht wie gewünscht gleichmäßig über das Tumorgewebe verteilen.
Jordan: »Unser Ziel ist es, diese Technik neben den Standardtherapien fest zu etablieren. Besonders die geringen Nebenwirkungen machen sie dafür interessant.« Außer einem diffusen Wärmegefühl oder leichtem Schwitzen seien keine Auffälligkeiten aufgetreten. »Wer eine Nadel ins Gehirn sticht, riskiert eine Blutung.« Und auch Ödeme, bei Tumoren häufige Begleiterscheinungen, könnten sich ausdehnen und der Gehirndruck ansteigen. Doch das haben Jordan und sein Team bei seinen Patienten bislang nicht beobachtet. Derzeit arbeiten die Mediziner daran, das nanomedizinische Konzept zu erweitern. Dazu beladen sie die Nanopartikelhülle mit Chemotherapeutika. Diese könnten dann gezielt in die Tumorzelle eingeschleust werden. Außerdem soll die nanogestützte Thermotherapie bei Patienten mit Prostata- und Speiseröhrenkrebs getestet werden. /