Der Kampf geht weiter |
20.04.2010 15:04 Uhr |
Von Werner Kurzlechner, Berlin / Das Fremdbesitzverbot ist vorerst bestätigt, aber Konzerne drängen weiter in den Apothekenmarkt. Die Prognosen über die Zukunft der Apothekenlandschaft klaffen weit auseinander.
Manchmal schreibt das Leben hollywoodreife Drehbücher: Einst spazierte der Unternehmensberater Peter Menk krank in eine Apotheke – und dort muss es schnell gefunkt haben. Heute ist die Apothekerin von damals Menks Frau, und er ist Geschäftsführer des Netzwerkes Partner Apotheken. Insgesamt 200 Apotheken, darunter jede neunte in Hamburg, haben sich darin zusammengeschlossen. Als Mann der Wirtschaft treibt es ihn weiter nach vorne, zugleich hat er sich privat und beruflich offenbar zu einem leidenschaftlichen Anwalt der Apothekerschaft entwickelt. »Warum ist immer der Apotheker der Böse?«, wetterte er kürzlich in Berlin bei der Gesundheitswirtschaftskonferenz der Financial Times Deutschland gegen Anwürfe aus Politik und Medien, die Pharmazeuten würden zu viel verdienen.
Keine Angst vor der Kette
Mancher Apotheker auf dem flachen Land habe kaum ein höheres Einkommen als ein Taxifahrer und führe sein Geschäft allein aus Liebe zum Beruf weiter, hielt Menk Kritikern entgegen. Die viel beschworene Wahlfreiheit und Transparenz für Patienten sei in diesem Bereich längst Realität: Anders als bei Arztpraxen wüssten die Menschen beim Blick ins Schaufenster einer Apotheke, was sie drinnen erwarte. »Die guten Apotheken müssen auch keine Angst vor Ketten haben«, sagte Menk. Bekanntlich überließ der Europäische Gerichtshof (EuGH) im vergangenen Jahr den Mitgliedsstaaten die Regelung des Apothekenmarktes, wodurch das Fremdbesitzverbot vorerst nicht mehr infrage gestellt ist. Dennoch ist weiterhin in vielerlei Hinsicht Bewegung im Markt. Daran knüpfte die Diskussion an. Neben Menk war die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände durch Karl-Heinz Resch, Geschäftsführer Wirtschaft und Soziales, auf dem Podium präsent.
Daneben zwei Vertreter der von der Apothekerschaft misstrauisch beäugten neuen Akteure: Rainer Walter Schell, Geschäftsführer der Apotheken-System-Vertriebsgesellschaft und Kohl-Tochter Avie, und Jens Apermann, früher Marketingchef bei DocMorris, heute Geschäftsführer der Iwan Budnikowsky Marketinggesellschaft, die in Norddeutschland Drogerien betreibt und derzeit den Einstieg ins Apothekengeschäft sucht. Anders als dm will Apermanns Unternehmen aber keine Pick-up-Stellen einrichten, sondern ein Netz von »Budni-Apotheken« eröffnen.
Resch, anmoderiert als »der Fundamentalist«, machte den Standpunkt der ABDA klar, ohne Platz für Zweifel zu lassen. »Wir haben bereits ein liberales System«, betonte Resch und erinnerte an die seit über 50 Jahren bestehende Niederlassungsfreiheit für Apotheker. Entscheidend in der Medikamentenversorgung sei das Prinzip der personalen Verantwortung. »Ich verstehe nicht, warum wir ein bewährtes System aufgeben sollten«, so Resch. Den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen sei vom Gesetzgeber bereits 2007 Rechnung getragen worden durch die Erlaubnis, als Inhaber drei weitere Filialen zu führen. An diesem Punkt wurde offenbar, dass trotz des EuGH-Urteils weiter gekämpft wird.
Zahl der Filialen »willkürlich«
Während Menk konstatierte, man könne »auch mit vier Apotheken eine Menge machen«, kritisierte Schell die Zahl zulässiger Filialen als »willkürlich«. »Sich vierteilen zu können, ist eine Eigenschaft, die ich Apothekern abspreche«, bemerkte Apermann. Weil personale Verantwortung nicht am Eigentum hänge, halte er das Fremdbesitzverbot weiter für überflüssig.
Während in dieser Frage also die Ketten und Konzerne – wohl ohne Aussicht auf baldigen Erfolg – gegen die Position der inhabergeführten Apotheker weiterbohren, liegt man in anderen Fragen weniger weit auseinander. Menk rief dazu auf, den Wert der Apothekerleistung schärfer zu akzentuieren – gerade auch deshalb, weil man aufgrund der kleinteiligen Struktur des Apothekerschaft in politischen Verhandlungen gegenüber Krankenkassen, Pharmaindustrie und Ärzteschaft häufig unterrepräsentiert sei. Weitgehend einig war sich die Runde darin, dass das pharmazeutische Wissen der Apotheker gesellschaftlich stärker genutzt werden muss. Auch Resch nickte zustimmend, als Apermann auf die an Krankenhäusern übliche enge Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern hinwies, die im ambulanten Bereich verstärkt werden müsse. Eine gemeinsame Medikationsdatei, auf die Ärzte und Apotheker zugreifen können, würde die Therapietreue verbessern, so Resch. Mehr Kompetenz im Versorgungsgeschehen lautete dann auch eine der Prognosen des ABDA-Geschäftsführers für den Apothekenmarkt im Jahr 2020.
Bei Menk schlug am Ende doch der Wirtschaftsmensch durch: Das Mehr- und Fremdbesitzverbot sei dann aufgehoben, etwa die Hälfte der Versorgung liege in der Hand von Ketten und es bestünden nur noch 17 000 statt jetzt 21 500 Apotheken. »2020 wird es in Apotheken zugehen wie an Tankstellen«, glaubt Apermann. Ein Großteil des Umsatzes werde dann über Wellness-Artikel erzielt. /