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Evolocumab

LDL-Senkung nützt Herz und Hirn

12.04.2017  09:53 Uhr

Von Brigitte M. Gensthaler, München / Der vollhumane monoklonale Antikörper Evolocumab kann bei Hochrisiko-Patienten mit koronarer Herzkrankheit nicht nur das LDL-Cholesterol deutlich senken, sondern auch die Herzinfarkt- und Schlaganfall-Rate. Die kardiovaskuläre und die Gesamtmortalität nehmen aber nicht ab.

Evolocumab (Repatha®) ist seit 2015 auf dem Markt. Der Antikörper bindet selektiv an das PCSK9-Protein und verhindert dessen Bindung an den LDL-Rezeptor (LDLR) auf Leberzellen. Dadurch wird der PCSK9-vermittelte Abbau des Rezeptors gehemmt. Befinden sich mehr Rezeptoren auf der Leberzell­oberfläche, wird mehr LDL-Cholesterol aus dem Blut extrahiert. Mit PCSK9- Inhibitoren wie Evolocumab und Alirocumab (siehe Kasten) lassen sich die LDL-Serumspiegel um bis zu 60 Prozent senken.

 

Langzeitergebnisse untersucht

Wie sich diese starke LDL-Senkung in der Langzeit-Prophylaxe von Herz­infarkt und Schlaganfall bei Patienten mit stark erhöhtem kardiovaskulärem Risiko auswirkt, wurde in der FOURIER-Studie untersucht (Further Cardiovascular Outcomes Research with PCSK9 Inhibition in Subjects with Elevated Risk). Die Ergebnisse erschienen kürzlich im »New England Journal of Medi­cine« (DOI: 10.1056/NEJMoa1615664). In der Studie erhielten rund 27 500 Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) mit hohem Risiko zusätzlich zu einer optimierten Statin-Therapie den Antikörper (140 mg alle zwei Wochen oder 420 mg monatlich) oder Placebo als subkutane Injektion. Rund 80 Prozent der Patienten hatten in der Vorgeschichte bereits einen Herzinfarkt erlitten, 19 Prozent einen Schlaganfall. 13 Prozent litten an peripheren arteriellen Erkrankungen.

 

»Unter Evolocumab sanken die LDL-Werte im Median von 92 mg/dl um knapp 60 Prozent auf 30 mg/dl«, berichtete Professor Dr. Harald Darius vom Vivantes Klinikum Neukölln in Berlin bei einer Pressekonferenz von Amgen in München. 42 Prozent der Patienten hätten sogar LDL-Werte unter 25 mg/dl erreicht.

 

Der kombinierte primäre Endpunkt umfasste kardiovaskulären Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall, Hospitalisierung wegen instabiler Angina pectoris oder koronare Revaskularisierung. Er trat innerhalb von 2,2 Jahren bei 1344 Patienten (9,8 Prozent) im Evolocumab-Arm und 1563 Patienten (11,3 Prozent) unter Placebo ein (relative Risikoreduktion um 15 Prozent). Dieser Unterschied war statistisch signifikant. Der Effekt des Verums war laut Darius nach etwa einem Jahr sichtbar. Der sekundäre Schlüsselendpunkt – kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt oder Schlaganfall – betraf 816 Patienten (5,9 Prozent) im Evolocumab-Arm und 1013 Patienten (7,4 Prozent) unter Placebo. Dies entspricht einer relativen Risikoreduktion um 20 Prozent, die ebenfalls statistisch signifikant war.

 

»Je niedriger die LDL-Werte waren, umso weniger Ereignisse traten auf. Der therapeutische Effekt nahm mit längerer Studiendauer zu«, fasste Darius die Daten zusammen. Es habe keinen Unterschied bei der kardiovaskulären und der Gesamtmortalität als Einzelparameter gegeben.

 

Kognition leidet nicht

 

Die Rate an Nebenwirkungen lag in beiden Studienarmen bei etwa 77 Prozent. Schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen erlitt jeweils knapp ein Viertel der Patienten. 1,6 Prozent brachen die Injektionen wegen der Nebenwirkungen ab. Dass kein Patient neutralisierende Antikörper entwickelte, sei verständlich, da Evolocumab ein vollhumaner Antikörper ist. »Die Rate an neurokognitiven Defiziten, Katarakt und neu aufgetretenem Diabetes war in beiden Gruppen ähnlich«, betonte der Kardiologe. In einer Substudie mit knapp 2000 Patienten gab es über 20 Monate keine Hinweise auf kogni­tive Beeinträchtigungen in der Evolocumab-Gruppe.

 

Der Antikörper sei erfolgreich in der Langzeit-Sekundärprophylaxe bei Hochrisiko-KHK-Patienten, resümierte Darius. Angesichts der hohen Therapiekosten von etwa 8000 Euro pro Jahr müsse man die Indikation aber sehr genau stellen. /

Neue Daten auch zu Alirocumab

Mit Alirocumab (Praluent®) ist seit 2015 noch ein zweiter PCSK9-Inhibitor in Europa zugelassen. In den Wirkstärken 75 mg und 150 mg wird er eingesetzt bei Erwachsenen mit primärer Hypercholesterolämie (heterozygot familiär und nicht familiär) oder gemischter Dyslipidämie begleitend zu einer Diät und in der Regel kombiniert mit einem Statin. Eine Wirkung auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität ist noch nicht belegt.

 

Eine Post-hoc-Analyse zum Risiko von Patienten mit atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung, die in die 78-wöchige Studie Odyssey Long Term eingeschlossen waren, lieferte nun erste Hinweise, dass Alirocumab die kardiovaskuläre Ereignisrate bei den Hochrisiko-Patienten senkt, meldet der Hersteller Sanofi. Die Daten wurden bei einer Fachtagung der US-amerikanischen kardiologischen Fachgesellschaft ACC präsentiert. Danach lag das Risiko für ein schweres kardiovaskuläres Ereignis unter Alirocumab bei 2,3 Prozent, unter Placebo dagegen bei 5,1 Prozent. Der Unterschied war signifikant.

 

Die Phase-III-Studie untersuchte primär die Langzeitsicherheit von Ali­rocumab bei kardiovaskulären Hoch­risiko-Patienten sowie Patienten mit familiärer Hypercholesterolämie. Die Verträglichkeit war in beiden Gruppen vergleichbar, auch bei LDL-C-Werten unter 25 mg/dl.

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