Erfolgreiche Gentherapie |
11.04.2006 17:54 Uhr |
Erfolgreiche Gentherapie
von Sven Siebenand, Eschborn
Ein deutsch-schweizerisches Forscherteam hat erstmals eine angeborene Blutkrankheit, die X-chromosomale chronische Granulomatose, mittels Gentherapie bei Erwachsenen erfolgreich behandelt. Nach dem gleichen Prinzip könnten zukünftig auch andere Erbkrankheiten und Krebs therapiert werden.
Wie die Forscher in der Online-Ausgabe des Fachjournals »Nature Medicine« berichten, therapierten sie in Frankfurt am Main zwei erwachsene Patienten, die an einer septischen Granulomatose litten. Bei dieser angeborenen Immunschwächeerkrankung sind die neutrophilen Granulozyten durch einen Gendefekt gehemmt. Infolgedessen ist die Immunabwehr gegen Pilze und Bakterien stark beeinträchtigt. Für 20 bis 30 Prozent der Patienten findet sich kein geeigneter Spender für eine Knochenmarkstransplantation, so dass die meisten von ihnen das Erwachsenenalter nicht erreichen. Am Chemotherapeutischen Institut im Georg-Speyer-Haus in Frankfurt am Main entnahmen Wissenschaftler des Teams von Professor Dr. Dieter Hoelzer den beiden Patienten blutbildende Stammzellen und statteten diese mit einer funktionsfähigen Kopie des defekten Gens aus. Als Genfähre diente ein für Menschen nicht krankheitsverursachendes, inaktiviertes Maus-Retrovirus. Dieses ist in der Lage, sich in das Genom der Knochenmarkszellen zu integrieren. Unter kontrollierten Bedingungen wurden die Blutzellen fünf Tage lang mit den Genfähren behandelt und danach in die Blutbahn der Patienten zurückgegeben.
Vor dieser Infusion wurde die Zahl defekter Zellen mit einer milden Chemotherapie verringert. Durch diesen Trick schufen die Forscher günstigere Bedingungen für die genetisch veränderten Stammzellen.
Bereits kurz nach Transplantation zeigten sich erste Therapieerfolge. Bestehende Infektionsherde waren nach 50 Tagen teilweise oder vollständig zurückgegangen. Mehr als 40 Prozent der Granulozyten waren wieder funktionsfähig, was für eine normale Abwehrreaktion ausreiche, so die Forscher. Nach circa 150 Tagen trat etwas Unerwartetes ein: Auf Grund der Aktivierung von weiteren Genen durch den Einbau der Genfähre, nahm die Zahl der genetisch korrigierten Zellen noch einmal zu. Unter Umständen könnte dies zu Blutkrebs führen. Bei einer ähnlichen Gentherapie-Studie in Frankreich waren bereits im Jahr 2000 Fälle einer Leukämie-ähnlichen Erkrankung aufgetreten. Zehn von elf Kindern, die am lebensbedrohlichen Immundefekt SCID-X1 litten, wurden zunächst erfolgreich mit retroviral modifizierten Zellen behandelt. Doch dann entwickelten drei Kinder Leukämie-ähnliche Symptome. Vorsichtshalber wurden in der Frankfurter Studie daher vorerst keine weiteren Patienten mit der neuen Methode behandelt. Untersuchungen an den therapierten Patienten zeigen aber bis heute, mehr als 16 Monate nach Therapiebeginn, keine negativen Folgen. Die Zahl der genetisch veränderten Zellen ist seit sieben Monaten auf konstantem Niveau.
Zukünftig wollen die Forscher Genfähren entwickeln, die eine unkontrollierte Vermehrung der genmodifizierten Zellen verhindert. Mit optimierten Genfähren sollen in den kommenden drei Jahren zehn weitere Patienten behandelt werden.