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Indien

Novartis verliert Patentstreit

02.04.2013  18:28 Uhr

Von Siddharta Kumar und Doreen Fiedler, dpa / Einer der wichtigsten Rechtsstreits im indischen Patentrecht ist entschieden: Novartis erhält keinen Schutz für sein Krebspräparat Glivec®. Andere Pharmakonzerne müssen in Zukunft wohl ähnliche Entscheidungen fürchten.

Der Schweizer Pharmakonzern Novartis hat den Patentstreit um sein Krebsmittel Glivec in Indien endgültig verloren. Das oberste Gericht des Landes entschied am Montag in Neu Delhi, dass Novartis kein Patent für das Leukämie-Medikament erhält. Beobachter sehen in der höchstrichterlichen Entscheidung einen Präzedenzfall, der für andere Patentklagen in Indien wegweisend sein dürfte.

Hilfsorganisationen begrüßten das Urteil, da günstige Nachahmer-Präparate aus Indien für die ganze Welt wichtig seien. Die indischen Behörden hatten bereits 2006 die Patentierung von Glivec auf dem Subkontinent verweigert. Der Wirkstoff Imatinib­mesylat sei nicht neu, sondern nur eine leicht veränderte Version des in Indien nicht patentierten Wirkstoffs Imatinib, hatte das Patentamt geltend gemacht. Dem schlossen sich die Richter nun an. Nach dem indischen Patentrecht von 2005 werden Mittel in Indien nur geschützt, wenn eine »erhöhte therapeutische Wirksamkeit« nachweisbar ist. So soll das »Evergreening« verhindert werden, also die Verlängerung des Patentschutzes mit nur minimalen Veränderungen zum vorher patentierten Wirkstoff.

 

Novartis steht auf dem Standpunkt, dass Glivec sehr wohl ein neues Medikament sei und eine »bahnbrechendes Krebsbehandlung« bei Leukämie möglich mache. In fast 40 Ländern habe das Unternehmen dafür auch Patente erhalten. Zwar sei das Molekül vorher schon patentiert gewesen, aber erst nach jahrelanger Forschung habe man es in eine Kristallform gebracht, sodass das Medikament sicher verabreicht werden könne. Das sei ein »Durchbruch«, heißt es auf der Website von Novartis.

 

Sieben Jahre lang dauerte der letztlich erfolglose Rechtsstreit von Novartis durch alle Instanzen. Das höchstrichterliche Urteil ist der vorläufige Höhepunkt in einer Serie von Niederlagen, die große Markenhersteller in Indien einstecken mussten. Roche und Pfizer wurden im vergangenen Jahr Patente aberkannt und Bayer musste Anfang März eine Zwangslizenz für sein Krebsmittel Nexavar® (Sorafenib) akzeptieren.

 

Novartis erklärte nach dem Richterspruch, das Urteil entmutige die Unternehmen, innovative Medikamente zu entwickeln. Neue Pharmaprodukte zu erforschen sei sehr teuer und riskant und nur möglich, wenn die Mittel dann auch für eine gewisse Zeit patentiert werden könnten. /

Kommentar

Bloß keine Schadenfreude

Innovative Arzneimittel müssen weltweit patentrechtlich geschützt werden. Denn nur so haben Hersteller eine Chance, die eine Milliarde US-Dollar wieder einzunehmen, die die Entwicklung eines neuen Präparats üblicherweise kostet. Schadenfreude über die Niederlage von Novartis vor dem obersten indischen Gericht ist also definitiv fehl am Platz.

 

Das indische Patentgesetz schließt Substanzen von der Patentierbarkeit aus, die nur eine geringfügige Abwandlung von bereits vorhandenen Molekülen darstellen, wenn diese Variation keine nennenswerte Verbesserung der Wirksamkeit mit sich bringt. Das ist eigentlich eine gute Sache, denn eine solche Klausel verhindert, dass sich der Arzneimittelmarkt durch reine Me-too-Präparate ohne jeden Mehrwert maßlos aufbläht. Im Fall von Glivec ist diese Begründung allerdings eine Farce. Die Richter verweigern Novartis ein Patent auf das Mesylat mit dem Hinweis auf dessen große Ähnlichkeit zu Imatinib. Hätte Indien Novartis für Imatinib nach dessen Entwicklung 1993 ein solches Patent erteilt, dann wäre die aktuelle Entscheidung nachvollziehbar. Damals verweigerte das Land aber generell Patente auf Arzneimittel. Imatinib selbst genießt deshalb keinen Patentschutz in Indien, allerdings nicht aus pharmazeutischen Erwägungen, sondern aus politischen.

 

Lebensrettende Arzneimittel müssen allen Menschen zur Verfügung stehen, auch wenn sie nur wenig dafür bezahlen können. Es ist daher sehr gut, dass Indien als sogenannte Apotheke der Armen heute die ganze Welt mit günstigen Generika versorgt. Um neue Präparate auch den Ärmsten zugänglich zu machen, ist eine staatlich legalisierte Produkt­piraterie aber der falsche Weg. Besser wäre es, wenn die Regierungen betroffener Länder unter Mediation der Weltgesundheitsorganisation gemeinsam mit den Herstellern eine Lösung finden könnten.

 

Annette Mende

Redakteurin Pharmazie

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