»Wirkstoffidentische Topika nicht ohne Weiteres austauschbar« |
06.04.2010 15:43 Uhr |
Von Susanne Poth / Mögliche Probleme bei Rabattverträgen zu wirkstoffidentischen topischen Dermatika war eines der Themen auf der 14. Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie. Im Rahmen der Vortragsreihe »Dermopharmazeutische Technologie und Biopharmazie« beleuchtete Dr. Jacob Zijlstra, Direktor der vorklinischen Entwicklung bei Novartis Consumer Health, diese Thematik aus Sicht eines forschenden Pharmaunternehmens.
PZ: Herr Dr. Zijlstra, in Ihrem Vortrag sprachen Sie über In-vitro-Untersuchungen in der Entwicklung von Topika wie Gelen, Cremes, Salben, Sprays und Wirkstoffpflastern. Welche Bedeutung haben diese?
Zijlstra: In-vitro-Permeations-Experimente mit menschlicher Haut, zum Beispiel mit dem Franz-Zellen-Apparat, sind ein wertvolles Arbeitsmittel für die Entwicklung von Topika. Mit den Ergebnissen lässt sich die Galenik des Arzneimittels optimieren und das Nutzen-Risiko-Verhältnis verbessern. Wie in klinischen Untersuchungen bestätigt wurde, zeigen sie gut reproduzierbare Ergebnisse, sind aber nicht so kostspielig wie die In-vivo-Untersuchungen. Für einige unserer Produkte konnten wir die In-vitro-Ergebnisse durch klinische Untersuchungen validieren.
PZ: Wie wird die Hautabsorption durch den Wirkstoff beeinflusst?
Zijlstra: Sie hängt von verschiedenen Faktoren ab: Dazu gehören zunächst einmal Struktur und Konzentration des Wirkstoffes. Schon geringe molekulare Veränderungen des Wirkstoffes können einen enormen Einfluss auf sein Penetrationsvermögen zeigen, was der Grund für eine etwa dreimal bessere Aufnahme von Penciclovir in die Haut im Vergleich zu Aciclovir bei ähnlicher Galenik sein kann. Bei der Wahl der Konzentration des Wirkstoffs hat sich gezeigt, dass viel nicht immer viel hilft – also dass große Mengen Wirkstoff in der Zubereitung nicht gleichbedeutend sind mit einer hohen Resorptionsquote in die Haut. So zeigte der Permeationsvergleich eines Schmerzgels mit 1,16 Prozent Diclofenac Diethylammonium eine höhere Diclo-fenac Resorption als ein 5-prozentiges Produkt.
PZ: Welche Bedeutung hat hier das Vehikel, also die Grundlage der Zubereitung?
Zijlstra: Die Galenik hat einen ganz starken Einfluss auf das Eindringvermögen eines Wirkstoffs. Die Art und die Zusammensetzung von Hilfsstoffen und Penetrationsverbesserern entscheidet in den meisten Fällen darüber, in welche Hautschicht der Wirkstoff letztlich gelangt. Es lässt sich nicht immer exakt vorausbestimmen, wie sich die Veränderung der Zusammensetzung der Arzneimittelgrundlage auf die Penetration des Wirkstoffs auswirkt. Deshalb gilt es, durch geschicktes Ausbalancieren die Formulierung zu optimieren.
PZ: Welche Bedeutung haben diese Erkenntnisse für die Praxis?
Zijlstra: Topische Dermatika mit gleichem Wirkstoff und Wirkstoffgehalt dürfen nicht ohne Weiteres ausgetauscht werden. Bereits geringe Unterschiede im Trägersystem oder im Herstellungsverfahren können die Absorption, Penetration, Permeation und Resorption des Wirkstoffs verändern und damit die therapeutische Wirkung beeinflussen. Zudem werden wirkstoffidentische topische Dermatika von Patienten unterschiedlich gut vertragen – Stichwort allergische Reaktionen auf Hilfsstoffe. /
Die Gesellschaft für Dermopharmazie erachtet das Gebot der Wirtschaftlichkeit in der Gesetzlichen Krankenversicherung für unverzichtbar und stellt auch das Instrument der Rabattverträge zu wirkstoffidentischen Arzneimitteln nicht generell infrage. Ausschreibungen und Vereinbarungen von Rabattverträgen zu wirk-stoffidentischen topischen Dermatika sollten nach Auffassung der GD nur stattfinden, wenn im Vorfeld durch geeignete Untersuchungen die therapeutische Äquivalenz der betroffenen Präparate festgestellt wurde. Solange dies nicht der Fall ist, sollten die gesetzlichen Krankenkassen für diese Arzneimittel im Interesse ihrer Versicherten auf Rabattverträge, die mit einer Substitutionspflicht einhergehen, verzichten.