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Dermopharmazie

Pflanzliche Externa nicht ohne Risiko

Datum 03.04.2007  09:58 Uhr

Dermopharmazie

<typohead type="3">Pflanzliche Externa nicht ohne Risiko

Von Christoph M. Schempp

 

Da Pflanzenextrakte immer häufiger Verwendung in Kosmetika, Pflegeprodukten und anderen dermatologischen Externa finden, werden zunehmend Forderungen nach Prüfung der Verträglichkeit und Wirksamkeit laut. Deshalb wird hier ein kurzer Überblick über problematische inhaltsstoffe gegeben.

 

Neben hautreizenden und phototoxischen Reaktionen können Pflanzen photoallergische Reaktionen, Allergien vom Soforttyp (Kontakturtikaria) und Allergien vom verzögerten Typ (Kontaktekzem) auslösen. Dabei weisen die einzelnen Pflanzen ein unterschiedliches Sensibilisierungspotenzial auf.

 

Eine durch Pflanzen ausgelöste toxische oder allergische akute Hautentzündung (Dermatitis) bezeichnet man als Phytodermatitis. Symptome sind Hautrötung (Erythem), Schwellung (Ödem), eventuell auch Exsudation, Bläschen-, Krusten- und Schuppenbildungbildung (Effloreszenz). Tabelle 1 (nur in der Druckausgabe) zeigt eine Übersicht über verschiedene Formen der Phytodermatitis.

 

Histamin und andere Irritantien

 

Viele Pflanzen beziehungsweise deren Inhaltsstoffe wirken bei direktem Hautkontakt hautreizend. Sie rufen auf der Haut Entzündungsreaktionen in Form einer irritativen Kontaktdermatitis hervor, ohne dass ein immunologischer Mechanismus zugrunde liegt. Bekannt ist die hautreizende Wirkung der Brennnessel (Urtica dioica). Sie enthält Histamin, Acetylcholin und Serotonin, was bei Kontakt zu einer nicht-immunologischen urtikariellen Sofortreaktion führt.

 

Die Familie der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae) enthält Milchsäfte mit Histamin beziehungsweise Acetylcholin-freisetzender Wirkung. Treten die Inhaltsstoffe (Phorbolester) mit dem Saft aus, kommt es bei Kontakt mit der Haut zu Juckreiz, Rötung, Bläschen und Ödem.

 

Weitere hautreizende Inhaltsstoffe von Pflanzen sind Oxalsäure und deren Salze, Lauchöle (Sulfide), Alkaloide, Glykoside (Podophyllotoxin), Scharfstoffe, Lectine und Capsaicin. Viele irritative Verbindungen von Pflanzen sind bis heute unbekannt.

 

Nach Kontakt mit einer photosensibilisierenden Pflanze und Einwirkung von Licht kommt es zunächst zu einer akuten phototoxischen Reaktion (brennendes Erythem). Mit einer Verzögerung von 48 bis 72 Stunden folgt dann eine auf das belichtete Areal beschränkte Entzündung mit Juckreiz und Rötung. Die Hautveränderungen heilen langsam ab und hinterlassen meistens lang anhaltende, postinflammatorische Hyperpigmentierungen.

 

Als wichtigste pflanzliche Photosensibilisatoren gelten die Psoralene. Diese finden sich häufig in der Familie der Doldenblütler (Tabelle 2; nur in der Druckausgabe). Ein auffälliger Vertreter ist der Riesenbärenklau, auch Herkulesstaude genannt.

 

Weit verbreitet sind Psoralene auch in der Familie der Zitronengewächse (Rutaceae). So kann Bergamotte-Öl beispielsweise eine als Berloque-Dermatitis bekannte Hautentzündung hervorrufen.  Neben Zitrusarten im engeren Sinne können auch die als Gewürz verwendete Weinraute (Ruta graveolens L.) und der Brennende Busch oder Diptam (Dictamnus albus L.) Auslöser einer phototoxischen Reaktion sein. Manche Rutaceae enthalten neben Psoralenen die ebenfalls phototoxisch wirkenden  stickstoffhaltigen Furochinolin-Alkaloide.

 

Klinische Formen der durch Psoralene ausgelösten phototoxischen Dermatitis sind die Berloque-Dermatitis,  die Wiesengräserdermatitis (streifenförmige Anordnung) und die bullöse phototoxische Dermatitis. Phototoxische Dermatitiden wurden auch durch Produkte ausgelöst, die Bergamotte-Öl in höherer Konzentration enthielten. 

 

Eine weitere wichtige Gruppe photosensibilisierender Pflanzeninhaltsstoffe sind die Naphtodianthrone, zu denen die Fagopyrine des Buchweizens und die Hypericine des Johanniskrauts gehören.

 

Risiko von Arnica überschätzt

 

Pflanzliche Allergene mit einem hohen Sensibilisierungsvermögen rufen schon nach wenigen Expositionen bei den meisten Exponierten eine Sensibilisierung hervor (Beispiel Primin aus der Becherprimel, Resorcinole aus dem Giftsumach). Mittelstarke oder schwache Allergene können dagegen über lange Zeiträume mit dem Organismus in Kontakt treten, ohne dass es zu einer Sensibilisierung kommt. Deshalb bestimmen Intensität und Dauer der Einwirkung eines Allergens entscheidend das Risiko für die Entwicklung einer Allergie.

 

Dies spielt neben der berufsbedingten Allergie auch eine besondere Rolle bei Verwendung von pflanzenhaltigen Kosmetika oder der Verordnung von dermatologischen Phytotherapeutika. Die wichtigsten pflanzlichen Kontaktallergene medizinisch relevanter Pflanzen sind Monoterpene aus ätherischen Ölen und Sesquiterpenlaktone (Tabelle 3; nur in der Druckausgabe).

 

In Mitteleuropa stehen an der Spitze der sensibilisierenden Pflanzen Vertreter aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae), gefolgt von Vertretern der Primelgewächse (Primulaceae), Liliengewächse (Liliaceae), Doldenblütler (Apiaceae), Amaryllidaceae, Orchidaceae und Gesneriaceae.

 

Neuere immunologische Untersuchungen zeigen, dass die Bedeutung der Arnica montana als Kontaktallergen wahrscheinlich überschätzt wurde. In die Liste der Kontaktallergene ist auch das Teebaumöl einzureihen. Durch Photooxidation entstehen Abbauprodukte des Teebaumöls wie Peroxide, Epoxide und Endoperoxide, von denen Ascaridol und 1,2,4-Trihydroxy-Menthan die größte Bedeutung als Kontaktallergen zukommt.

 

Vorab Verträglichkeit prüfen

 

Vor der Einführung neuer Substanzen oder Extrakte ist es im Vorfeld teurer Entwicklungsarbeiten mithilfe verschiedener Tests möglich, eine Nutzen-Risiko-Einschätzung zu erstellen. Hierzu zählen In-vitro-Zellkulturen mit Keratinozyten oder Skin-explants (dreidimensionale Hautäquivalente). Mittels Messung der LDH-Freisetzung, Trypanblau-Färbung, ATP-Messung, Proliferationsassays oder des MTT-Assay kann das toxische Potenzial pflanzlicher Substanzen abgeschätzt werden.

 

Ein Phototoxizitätstest mit dem Sonnensimulator in vitro korreliert recht gut mit den Ergebnissen der Phototoxizitätsprüfung in vivo. Zur Abschätzung des Allergierisikos ist immer noch das Mausmodell der Kontakt-Hypersensitivität beziehungsweise der local-lymphnode-assay unverzichtbar. Am Menschen gibt es verschiedene Tests, die mit relativ wenig Aufwand differenzierte Aussagen zur Verträglichkeit erlauben (okklusiver Patchtest, RIPT, offener Anwendungstest, Photopatchtest).

 

Perspektiven bei pflanzlichen Externa

 

Interessante Neuentwicklungen in der dermatologischen Forschung sind unter anderem Extrakte aus Johanniskraut (Hyperforin), Süßholzwurzel (Glycyrrhetinsäure), Grüntee-Extrakt (Epigallocatechingallat) und Birkenkork (Betulin). Durch Hochdruckextraktion mit flüssigem Kohlendioxid kann aus Johanniskraut ein Extrakt gewonnen werden, der nur die lipophilen Komponenten der Pflanze enthält. Das hierbei angereicherte Hyperforin zeichnet sich durch antibakterielle und entzündungshemmende Eigenschaften aus, das photosensibilisierende Hypericin ist nicht enthalten.

 

Eine weitere dermatologisch interessante Substanzgruppe sind die Triterpenoide. Im Gegensatz zu Monoterpenen sind diese nicht allergen. Sie weisen vielfältige pharmakologische Wirkungen auf, bei denen vor allem antiinflammatorische Effekte im Blickpunkt stehen. Eine natürliche Quelle für Triterpenoide ist Birkenkork, der Substanzen wie Betulin, Betulinsäure, Oleanolsäure und Lupeol enthält. Durch ein neuartiges Extraktionsverfahren können diese entzündungshemmenden und differenzierungsfördernden Wirkstoffe in konzentrierter Form verfügbar gemacht werden. Birkenkorkextrakt ein Oleogel-Bildner ist, was die Herstellung einer Creme ohne Emulgatoren und Konservierungsstoffe ermöglicht.

Literatur beim Verfasser

 

 

Anschrift des Verfassers:

Professor  Dr. Christoph M. Schempp

Universitäts-Hautklinik Freiburg

Hauptstraße 7

79104 Freiburg

christoph.schempp(at)uniklinik-freiburg.de

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