So verändert sie sich |
28.03.2018 10:13 Uhr |
»Soll ich Sie duzen, siezen, bitchen, aldern oder diggern?« Mit dieser Frage eröffnete Dr. Diana Marossek vom Schlehdorn Verlag den PZ-Management-Kongress und stellte die Teilnehmer damit direkt auf ihren launigen Vortrag über die Besonderheiten der neuen Umgangssprache ein.
»Kurzdeutsch«, wie die Soziolinguistin aus Berlin die neuen Sprachphänomene nach zehn Jahren Forschung in Deutschlands Nahverkehr und Schulen sowie mehr als 1200 Gesprächen getauft hat, setze sich aus sieben Phänomenen zusammen: der Kontraktionsvermeidung (Zusammenfassung von Präposition und Artikel: »Ich geh Bäcker«), der Artikelvermeidung (»Guck dir Auto an!«), dem Code Switching: (»Käsebrötchn, yalla!«), Sprachroutinen wie »Ich schwöre«, Sch-Lauten (»Isch mach Vortrag«), dem Kurzartikel (»d’Kino«) und rituellen Beschimpfungen (»Du Opfer«). Phänomene wie beispielsweise Kurzartikel haben laut der Medienwissenschaftlerin im Übrigen nichts mit dem Bildungsstand zu tun. »Der Unterschied zeigt sich jedoch darin, ob der Mensch damit spielen kann, ob er es ein- oder ausschalten kann.«
Diana Marossek vom Schlehdorn Verlag: »Für viele Dinge gibt es einfach kein deutsches Wort«.
Dass sich die deutsche Sprache verändert, konnten auch die anwesenden Apotheker bestätigen. Genannt wurden Ausdrücke wie »nice« oder »chill mal deine Basis« – Denglisch, wie Marossek erklärt, eine Form, mit der es sich einfacher chatten lasse und die auch aus dem Gefühl entstanden sei, dass wir im Deutschen nicht genügend Wörter zu Verfügung haben. »Für viele Dinge gibt es einfach kein deutsches Wort«, erklärt die Referentin. Wie sich im Verlauf der Vortrags herausstellte, ist dieses Phänomen auch im Apothekenalltag zu finden, beispielsweise bei Wörtern wie »Patientencompliance«.
Kurzdeutsch sei im Übrigen nicht mit Jugendsprache gleichzusetzen und schleiche sich sehr einfach in den Sprachgebrauch von Erwachsenen ein, erklärte Marossek. Es beginne damit, dass deutsche Muttersprachler eines der Phänomene aus Spaß verwendeten. »Beim ersten Schritt, sich darüber lustig zu machen, ist es schon zu spät«, so Marossek. Das Gehirn habe es damit schon wahrgenommen und gehe in Stufe zwei dazu über, zu merken »es geht ja auch ohne« – beispielsweise ohne Artikel wie in »Guck dir Auto an!« –, und es immer häufiger anzuwenden.
Zum Abschluss gab die Referentin noch den Tipp, bei der Beobachtung ritueller Beschimpfungen, die überwiegend, aber nicht nur bei Jugendlichen zu beobachten seien, nicht beleidigt zu sein und diese zunächst einfach hinzunehmen. Auf der Inhaltsebene strahlten Bezeichnungen wie »du Knecht« oder »du Spast« zwar Aggression aus, auf der Beziehungsebene jedoch bedeute es Vertrautheit und Solidarität. Gut finden müsse man das nicht, aber damit umgehen sollte man können. /