Die Zeit drängt |
22.03.2017 10:03 Uhr |
Es ist nicht selbstverständlich, dass die NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Bündnis 90/Die Grünen) und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) identische Positionen vertreten. Beim Westfälisch-Lippischen Apothekertag in Münster war es so. Gröhe und Steffens forderten das Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (lesen Sie dazu auch Rx-Versandverbot: Rüge an das Wirtschaftsressort). Für die Einigkeit der beiden Politiker gibt es einen guten Grund: Sie haben verstanden, welche fatalen Konsequenzen das EuGH-Urteil für die Apotheken haben kann: Vor dem Urteil war der Versandhandel mit Arzneimitteln zwar ein mit Schmerzen verbundenes Ärgernis für die Apotheker, er war aber dennoch beherrschbar. Angesichts eines Marktanteils von 2 oder 3 Prozent war er nicht existenzgefährdend.
Seit dem 19. Oktober hat sich die Situation deutlich verändert. Die Marktanteile der Versender sind immer noch gering. Die mit dem Urteil verbundene drohende Abkehr von der Gleichpreisigkeit ist aber eine maximale Bedrohung für die öffentlichen Apotheken. Selbst die Erlaubnis vermeintlich harmloser Boni könnte die Arzneimittelversorgung in Deutschland radikal verändern. Boni sind aber nicht harmlos, auch wenn dies Versender und Teile der SPD behaupten. Ginge es um nichts, hätte DocMorris keinen Rechtsstreit bis zum EuGH bezahlt. Es ist nicht überraschend, dass die ABDA in ihrer Stellungnahme zu Gröhes Referentenentwurf finanzielle Vergünstigungen beim Kauf von Rx-Arzneimitteln ablehnt (lesen Sie dazu auch Rx-Versandhandel: Kampf um das Verbot).
Es ist bedauerlich, dass die SPD beim Apothekertag in Münster nicht präsent war. Die Reise nach Westfalen wäre lehrreich gewesen. Bis jetzt ignoriert die SPD standhaft, dass Boni auf Rx-Arzneimittel mittelfristig das Ende des einheitlichen Arzneimittelpreises für verschreibungspflichtige Arzneimittel bedeuten würden – mit erheblichen negativen Konsequenzen für die Effektivität von Steuerungsinstrumenten wie Zuzahlungen oder Abschlägen. Einen seriösen Vorschlag, wie die durch das EuGH-Urteil ausgelösten Verwerfungen in der Arzneimittelversorgung korrigiert werden können, haben die Sozialdemokraten noch nicht geliefert. Wenn die SPD sich nicht bewegt, wird es schwierig. Ohne die SPD kann Gröhe sein Ziel nicht erreichen. Die Zeit drängt. Am 29. März tagt der Koalitionsausschuss. Dann muss eine Entscheidung fallen. Ansonsten droht das Gesetzesverfahren in die Verlängerung und damit in die nächste Legislaturperiode zu gehen. Die Konsequenz wäre eine monatelange Unsicherheit in der Arzneimittelversorgung. Das kann niemand ernsthaft wollen.
Daniel Rücker
Chefredakteur