Schneller wieder kussbereit |
18.03.2013 22:52 Uhr |
Von Sven Siebenand / Die Krone passt, die Lippe hängt. Gegen dieses Dilemma nach einem Zahnarztbesuch gibt es ab sofort ein schnelles Gegenmittel. Denn das erste Arzneimittel zur Aufhebung einer dentalen Lokalanästhesie mit Vasokonstriktor ist nun auch in Deutschland erhältlich.
Laut Hersteller Sanofi-Aventis ist Phentolaminmesilat (OraVerse®) für den Einsatz bei Erwachsenen und Kindern ab dem sechsten Lebensjahr mit einem Körpergewicht von mindestens 15 kg indiziert. Studien haben gezeigt, dass Phentolaminmesilat die Dauer des durch eine Lokalanästhesie mit Vasokonstriktor hervorgerufenen Taubheitsgefühls nach zahnärztlichen Routinebehandlungen deutlich verkürzt. In zwei Phase-III-Studien erhielten insgesamt 484 Jugendliche und Erwachsene bei kleinen zahnärztlichen Eingriffen in Unter- und Oberkiefer eine Lokalanästhesie mit Vasokonstriktor. Nach der Behandlung erhielten sie eine Injektion mit Phentolaminmesilat oder eine Scheininjektion an gleicher Stelle wie zuvor das Lokalanästhetikum. Anschließend wurde in regelmäßigen Abständen die Wirksamkeit in verschiedenen Funktions- und Sensorik-Untersuchungen bewertet.
Au Backe: Vor diesem Szenario gruselt es einigen. Zumindest gegen das stundenlange Taubheitsgefühl nach einer Betäubung gibt es nun ein Gegenmittel.
Foto: DAK/Wigger
Die Tests zeigten, dass sich die Dauer der Anästhesie signifikant um mehr als die Hälfte verkürzte: An der Unterlippe im Mittel von 155 Minuten auf 70 Minuten (etwa 55 Prozent), am Oberkiefer im Mittel um mehr als 60 Prozent auf 50 Minuten gegenüber 133 Minuten in der Kontrollgruppe, an der Zunge im Mittel um 52 Prozent (von 125 Minuten auf 60 Minuten). Eine Studie an 152 Kindern zeigte ähnliche Ergebnisse. Im Vergleich zu einer Scheininjektion reduzierte Phentolaminmesilat die Dauer der Lippentaubheit nach einem kurzen zahnärztlichen Eingriff im Mittel von 135 Minuten auf 60 Minuten (etwa 56 Prozent).
»Taubheitsgefühle nach einer Zahnarztbehandlung mit Lokalanästhesie werden von den Patienten als störend empfunden«, erklärt Professor Dr. Monika Daubländer von Universität Mainz. In den USA würden seit 2008 sehr gute Erfahrungen mit Phentolaminmesilat in der Zahnmedizin gemacht. Für den Zahnarzt ist das Präparat leicht anzuwenden. Es wird nach der zahnmedizinischen Behandlung mit demselben Volumen am Injektionsort wie die Lokalanästhesie appliziert. Sanofi-Aventis nennt zahnmedizinische Routineeingriffe wie Zahnreinigung, Entfernen von Zahnstein und Wurzelglättung sowie die Präparation von Kavitäten zum Einsetzen von Füllungen und Kronen als Beispiele für den möglichen Einsatz von Phentolaminmesilat.
Wie kommt dessen Wirkung zustande? Phentolaminmesilat ist ein Vaso-dilatator und in der Medizin bisher vor allem für seine blutdrucksenkende Eigenschaft bekannt. Denselben gefäßweitenden Wirkmechanismus nutzt nun auch die Zahnmedizin. Die Präparate für die Lokalanästhesie beim Zahnarzt enthalten neben den schmerzblockierenden Inhaltstoffen meist Zusätze wie Adrenalin. Dieses bewirkt, dass sich die Blutgefäße verengen und das Lokalanästhetikum vom Wirkort nicht so schnell abfließen kann, um eine zuverlässige Schmerzreduktion während der Behandlung zu gewährleisten. Diesem Effekt wirkt Phentolaminmesilat als Antidot entgegen. Es weitet die Gefäße, erhöht den Blutfluss und lässt das Anästhetikum rascher abfließen. /